Kreuzbandrisse und Überlastungsproblematiken im Alpinen Skirennlauf

Was sind mögliche Ursachen und wie können präventive Aspekte gewählt werden?

Kreuzbandrisse, insbesondere der Riss des vorderen Kreuzbands, gehören zu den häufigsten Verletzungen im Sport, so auch im alpinen Skirennlauf. In einem 2015 veröffentlichten Artikel verwiesen Spörri und Kollegen dabei auf fehlende Untersuchungen und Analysen hinsichtlich voraussagender Verletzungsparameter bei Skirennläufer*innen, speziell bei Nachwuchsathlet*innen. Auch unter den Trainer*innen wird diese Thematik oft diskutiert. So stellt sich u. a. folgende Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der körperlichen Fitness der Athlet*innen und einer Kreuzbandverletzung?

(Autor: ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Raschner) Durch die seit mehreren Jahrzehnten bei österreichischen Nachwuchs- und Eliteskirennläufer*innen konsequent durchgeführte Leistungsdiagnostik konnte diese Frage in einem Forschungsprojekt analysiert werden. Dafür wurden retrospektiv über einen Zeitraum von 10 Jahren die leistungsdiagnostischen Daten von 175 Nachwuchsskirennfahrerinnen und 195 Nachwuchsskirennfahrern im Alter von 14-19 Jahren herangezogen. In dieser Zeitspanne traten 57 Verletzungen mit der Diagnose „Riss des vorderen Kreuzbands“ auf. Um einen möglichen Zusammenhang genauer zu erforschen, wurden die Leistungen der einzelnen Tests unmittelbar vor der Skisaison von jenen mit einer Kreuzbandverletzung mit jenen ohne Kreuzbandverletzung verglichen. Die in diesem Zeitraum standardisiert durchgeführte Testbatterie umfasste isometrische Tests zur Erfassung der maximalen Bein- und Rumpfkraft, der Kraftausdauer (Kastentest), der Schnellkraft in Form eines CMJ, der Reaktivkraft (Drop Jump aus 40 cm), der aeroben und anaeroben Ausdauer sowie der Sprungkoordination. Damit wurde es mittels komplexer statistischer Verfahren möglich, geschlechtsspezifische körperliche Risikofaktoren zu identifizieren.

Bei den Analysen zeigte sich, dass Prädiktoren für eine Kreuzbandverletzung bei den Nachwuchsskirennläufern eine schlechte relative Beinkraft sowie eine schlechte relative Rumpfkraft waren. Ebenso erhöhte sich das Risiko einer Kreuzbandverletzung durch ein ungünstiges Verhältnis von Rumpfflexions- zu Rumpfextensionskraft und einem schlechten Reaktivkraftindex. Bei den Mädchen erhöhte sich das Risiko einer Kreuzbandverletzung durch eine schlecht ausgeprägte absolute Rumpfkraft und wiederum durch ein ungünstiges Verhältnis von Rumpfflexions- zu Rumpfextensionskraft. So lässt sich auf den ersten Blick zusammenfassen, dass vor allem eine verringerte Rumpfkraft bzw. ein ungünstiges Verhältnis zwischen Bauch- und Rückenkraft zu einem erhöhten Verletzungsrisiko für Knieverletzungen im Nachwuchsskirennsport führen kann. Ähnliche Verletzungsprädiktoren ergaben weitere Studien aus der Literatur. Dieselbe Testbatterie wurde auch bei den jüngeren Skirennläufer*innen über mehrere Jahre durchgeführt. Die Auswertungen deckten sich ziemlich mit den vorher genannten Erkenntnissen. Bei den 10-14-jährigen Nachwuchsathlet*innen waren vor allem schlechte Kraftwerte im Bereich des Rumpfes sowie der Reaktivkraftindex kritische Variablen einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit. Eine weitere Analyse der leistungsdiagnostischen Daten ergab zudem, dass ein ausgeglichenes Verhältnis der rechten und linken Beinstreckkraft bei Nachwuchsskirennläufer*innen von präventiver Bedeutung ist. Hatten Nachwuchsskirennläufer*innen mehr als 10 % Unterschied in der isometrischen unilateralen Beinkraft, waren sie einem erhöhten Verletzungsrisiko der unteren Extremitäten ausgesetzt.

Neben traumatischen Verletzungen, die im Skirennlauf primär durch Stürze hervorgerufen werden, stellen − wie in anderen Sportarten auch − Überlastungsproblematiken sowohl im Nachwuchs als auch in der Elite eine Herausforderung für Trainer*innen dar. Überlastungsproblematiken, wie Rückenschmerzen oder ein Patellaspitzensyndrom können entweder durch die skirennlaufspezifischen Belastungen oder durch nicht adäquates Konditionstraining begünstigt werden. So gaben in der Vergangenheit ca. 1/3 der Top-40-Athlet*innen im Skirennlauf an, Beschwerden im unteren Rücken (low back pain) zu haben. Mehr als 50 % der Nachwuchsathlet*innen entwickelten im Lauf ihrer noch jungen Karriere eine Überlastungsproblematik, wobei ca. 35 % über low back pain berichteten. Die Gründe für diese hohe Prävalenz von Rückenproblematiken könnten u. a. in den besonderen Anforderungen der Sportart Skirennlauf zu finden sein. So zeigten biomechanische Studien, dass im Riesenslalomschwung ein nach vorn geneigter Oberkörper, verbunden mit einer Seitneigung sowie leichter Rumpfrotation bei gleichzeitig sehr hohen Bodenreaktionskräften (zwei-vierfache des eigenen Körpergewichts) eingenommen wird. Erschwerend kommen im Nachwuchs bei hohen Startnummern oft noch die schlechten Pistenverhältnisse hinzu, die zu unerwarteten, noch wesentlich höheren Belastungen auf den passiven Bewegungsapparat führen können. Umso wichtiger ist demnach eine verantwortungsbewusste und „perfekte“ körperliche Vorbereitung von Skirennläufer*innen jeden Alters. Im Skirennsport ist für eine stabile Körperposition im Schwung ein sehr früh beginnendes entwicklungsgemäßes Krafttraining von enormer Bedeutung. Hier gab es zum Glück in den letzten Jahren durch vielversprechende Erkenntnisse (siehe KINGS-Studie) genügend wissenschaftliche Argumente für eine systematische Implementierung von Krafttraining in den Nachwuchsleistungssport. Bei jungen Athlet*innen, so auch im Skirennlauf, gilt es zudem, den körperlichen Entwicklungsstand (z. B. erfasst über die Mirwald-Methode) in die Trainingsplanung mit einzubeziehen. Eine Studie von Steidl-Müller konnte aufzeigen, dass spätentwickelte Nachwuchsskirennläufer*innen einer erhöhten Gefahr von traumatischen Verletzungen und Überlastungsproblematiken ausgesetzt sind.

Neben den vorab angesprochenen Thematiken zur Verletzungs- und Überlastungsprävention im Skirennlauf ist bereits im Nachwuchs eine optimale Abstimmung zwischen Belastung und Regeneration von großer Bedeutung. Der dabei passende Spruch „if you train very hard, you need to rest very hard“ sollte bei den Trainer*innen und Eltern, aber auch bei den jungen Athlet*innen zu mehr Bewusstseinsbildung und Überlegungen zu umsetzbaren individuellen Regenerationsstrategien führen. Hinsichtlich optimaler Regeneration nach intensiven Trainingseinheiten, sei es im Schnee oder im Konditionstraining, bedarf es für die Nachwuchsathlet*innen neben einer adäquaten Ernährung in erster Linie ausreichend Schlaf. Schlafexpert*innen empfehlen für 6-12-jährige Kinder 9-12 Stunden Schlaf pro Nacht. Für die 13-18-jährigen Jugendlichen liegen die Empfehlungen immerhin noch bei 8-10 Stunden Schlaf pro Nacht. In der Realität, das zeigten verschiedene Studien, schlafen Kinder und Jugendliche jedoch deutlich weniger, da durch den Konsum von Social Media die Schlafzeit verkürzt ist und die blaue Strahlung von Bildschirmen das Einschlafen zudem verzögern kann. Doch auch im unmittelbaren Bezug auf den Sport können die empfohlenen Schlafzeiten nicht immer eingehalten werden. Vor allem dann nicht, wenn für die Kinder und Jugendlichen im Sommer beispielsweise das Training auf den Gletschern sehr früh startet oder auch durch einen frühen Tagesbeginn in der Schule (z. B. bei einem Studium vor dem Unterricht). Wissenschaftliche Studien zeigten in diesem Zusammenhang, dass bei Schlafmangel eine höhere Infektionsgefahr bestand, ebenso verschlechterten sich Reaktionszeit und Aufmerksamkeit sowie die kognitive Leistungsfähigkeit beispielsweise in der Entscheidungsfähigkeit. Außerdem gibt es Hinweise, dass sich die Verletzungsgefahr von Athlet*innen um das bis zu 1,7-fache erhöhte, wenn sie weniger als acht Stunden schliefen. Aus den zuvor beschriebenen Erkenntnissen lassen sich nachfolgende Handlungsempfehlungen ableiten.

Handlungsempfehlungen
– Um im Skirennlauf von Verletzungen und Überlastungen möglichst verschont zu bleiben, bedarf es neben einer optimalen Skitechnik ab dem ca. 10. Lebensjahr einer systematischen und auf die jeweilige Entwicklung abgestimmten körperlichen Ausbildung.
– Gerade in Saisonsportarten wie dem Skirennlauf sollten die schneefreien Monate durch Alternativsportarten zur vielseitigen körperlichen Entwicklung genutzt werden.
– Im Skirennlauf ist jeder Schwung unterschiedlich, womit speziell im Nachwuchsbereich einem abwechslungsreichen koordinativen Training ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt werden sollte.
– Ein entwicklungsgemäßes und leistungsangepasstes Krafttraining, welches die wichtigsten Langhanteltechniken (z. B. beid- und einbeinige Kniebeuge), stabilisationszentriertes Krafttraining (z. B. auf instabilen Unterlagen) sowie Reize der Maximalkraft (z. B. in Form von Pistol-Squats) beinhalten, sollte mit 10/11 Jahren begonnen werden.
– Einen sehr großen Stellenwert sollte zudem die Kräftigung des Rumpfes (Bauch- und Rückenmuskulatur) haben. Die Rumpfmuskulatur muss daher ausgeglichen und mit unterschiedlichen Methoden entwickelt werden.
– Im Skirennlauf gibt es einen Rechts- und Linksschwung, daher ist besonders auf eine symmetrische Kraftfähigkeit der Beine Wert zu legen.
– Im Rahmen des Krafttrainings mit den (Nachwuchs-)Athlet*innen sind die skispezifisch hohen äußeren Belastungen zu berücksichtigen; so ist z. B. der Oberkörper im Schwung in einer Vor- und Seitneigung inkl. einer Rumpfrotation.
– Sprungserien inklusive variantenreicher Drop Jumps dienen zur neuromuskulären Kontrolle mit Fokus auf einer stabilen Bein- und Hüftachse (keine Valgusstellung bei Landung und Absprung).
– Unabhängig vom Alter ist im Leistungssport eine angemessene Regeneration sehr wichtig. Man sollte mit den Athlet*innen offen über die Themen Schlaf, Ernährung und aktive sowie passive Regenerationsstrategien sprechen. Auch sind die Eltern dafür zu sensibilisieren, dass sich ihre Kinder in der trainingsfreien Zeit erholen müssen und dürfen.

Wenn doch eine Verletzung passiert – wie kann man damit umgehen? Beispiel „Return to win“
Die wesentlichen Aufgaben von Trainer*innen sind neben dem Training die Wettkampfbegleitung und -betreuung von Athlet*innen. Meist bleibt dadurch keine Zeit, sich um eventuell verletzte Athlet*innen der Gruppe zu kümmern. Aus diesem Grund sind in einem verbandsübergreifenden Projekt von Christoph Ebenbichler, Sportwissenschafter und Trainer des Olympiazentrums in Tirol, diesbezügliche, für den Skirennlauf relevante, Handlungsempfehlungen verschriftlicht worden (siehe Abbildung). Diese sehen einen Reha-Manager für verletzte Athlet*innen vor, welcher direkt nach dem Bekanntwerden einer Verletzung telefonisch informiert wird und mit dem/der Athleten*in Kontakt aufnimmt. Sofern dieser noch vor einer notwendigen Operation erfolgt, unterstützt dieser bei Fragen rund um die Operation oder bei Versicherungsabklärungen (z. B. Zusatzversicherung). Der Reha-Manager bespricht nachfolgend mit den betroffenen Personen die individuellen Zielsetzungen für die Reha und die verschiedenen Maßnahmen. Außerdem wird den Athlet*innen ein Factsheet mit nützlichen Informationen rund um die Reha und den standardisierten Ablauf gegeben (z. B. sinnvolle Supplementationen im Bereich Ernährung). Generell werden der Verlauf der Reha bzw. alle individuell gesetzten Maßnahmen in einer Datenbank dokumentiert, so können alle beteiligten Expert*innen diese jederzeit nachvollziehen.

Neben einem vom jeweiligen Verband zu bestimmenden Reha-Manager sowie den behandelnden Ärzten besteht das interdisziplinäre Team aus einem Netzwerk von Physiotherapeut*innen, Trainer*innen von Olympiazentren/Verbänden, Sportpsycholog*innen und Ernährungsberater*innen. Von großer Wichtigkeit sind dabei regelmäßige Meetings dieses interdisziplinären Teams, um stets alle Beteiligten am gleichen Wissensstand zu halten und bei Bedarf Anpassungen der Reha zu besprechen. Damit verletzte Athlet*innen wieder in das „normale Training“ einsteigen können, absolvieren sie am Ende der Reha einen Belastungstest, bei dem einheitliche Cut-Off-Werte und Mindestkriterien erreicht werden müssen, um wieder das Schneetraining aufnehmen zu dürfen. Werden diese Werte nicht erzielt, trainieren die Athlet*innen weiter im konditionellen Aufbau, bis sie die Vorgaben/Normwerte erfüllen. Im Idealfall können die Leistungsdiagnostiker*innen auf Pre-Tests zurückgreifen, die mit den aktuellen Testergebnissen verglichen werden können. Diese Testbatterie wird für alle verletzten Athlet*innen im Olympiazentrum in Innsbruck durchgeführt, um eine standardisierte Vorgangsweise zu garantieren. Gibt es „grünes Licht“ zum Schneetraining und zur Wiedereingliederung in das Verbandstraining, ist in den kommenden Wochen ein verantwortungsvoller sportartspezifischer (skispezifischer) Load-Aufbau am Schnee wesentlich. Nachfolgend auch für diesen Aspekt einige Handlungsempfehlungen.

– Die Verbände oder Vereine sollten ein Konzept haben, um Athlet*innen im Fall einer Verletzung bzw. Überbelastung in ihrem Rehabilitationsverlauf bestmöglich zu begleiten.
– Es sollte eine verantwortliche Person (bestenfalls aus dem Verband/Verein) bestimmt werden, die gemeinsam mit dem/der Athleten*in einen Plan für die Wiederaufbauphase nach der Verletzung erstellt und die Koordination mit allen beteiligten Personen übernimmt.
– Neben den behandelnden Ärztinnen, Physiotherapeutinnen sowie Sportwissenschafterinnen/Trainerinnen ist ein interdisziplinäres Team an Expert*innen aus den Bereichen Sportpsychologie und Ernährungsberatung sinnvoll.
– Vor der Wiedereingliederung in das Verbandstraining sollten verbindlich Fitnesstests mit dem Erreichen von vorab kommunizierten Leistungskennziffern durchgeführt werden, um das Risiko von Wiederverletzungen zu reduzieren.
– Nach bestandenem Fitnesstest muss ein verantwortungsvoller Load-Aufbau des sportart- bzw. skispezifischen Trainings erfolgen.

© sport-iat.de // Foto: OZ

Rekordzahl an Neuanmeldungen

NLST

Nach Olympia ist vor der Auswahl an Tirols Leistungssport-Schulen.

Mit einer Rekordzahl an Neuanmeldungen blicken die Schulen Sport-BORG und Sport-HAS in die Zukunft – und zurück auf Veränderungen in Tirols Verbänden.

Innsbruck – Die jüngsten Erfolge bei den Olympischen Spielen lassen auch einen ehemaligen Lehrer rührseliig werden. „Es beeindruckt, wie aus ehemaligen Schülern erfolgreiche Persönlichkeiten werden. Ich bin megastolz“, sagt Andreas Pfister, Koordinator des Innsbrucker Sport-BORG und spricht damit auch für seinen Kollegen der Sport-HAS, Alois Rainer. Die Medaillen der Rodler Wolfgang Kindl, Lorenz Koller sowie Madeleine Egle und Top-Platzierungen wie etwa von Eisschnellläuferin Vanessa Herzog und den weiteren vier Absolventen ergänzen die Erfolgsbilanz der Tiroler Leistungssport-Schulen neben den Skimodellen wie Stams und Neustift einmal mehr. Mit Bronze von Kletterer Jakob Schubert in Peking stieg man sogar zum einzigen Schulstandort Österreichs auf, der Olympiamedaillengewinner im Winter und Sommer formte.

Dieser Tage, im 35. Jahr seit der ersten Leistungssportklasse in der Fallmerayerstraße, stehen wieder Talente an den Pforten. So viele wie nie zuvor: 85 junge Sportler hoffen aktuell, in eine der beiden Schulen aufgenommen zu werden. „Uns ist klar, dass aus verschiedenen Gründen nicht jeder Weltklasse werden kann. Es geht deshalb auch um Persönlichkeitsbildung, Vermittlung von Werten, eine duale Ausbildung, um auch dem Sport später erhalten zu bleiben“, beschreibt Pfister. Inhalte aus dem Fach Sportkunde werden etwa bei Instruktoren-Ausbildungen angerechnet. So arbeiten auch viele Absolventen längst in Vereinen und Verbänden.

Das sportliche Umfeld der Schule ist in Zusammenarbeit mit dem Verein Nachwuchsleistungssport Tirol professioneller, als es die Sportverbände vor allem im Jugendbereich selbst sind. „Wir bringen das Know-how mit in die Verbände. Durch unser duales System ist der Sport in Tirol professioneller geworden“, erklärt Sportkoordinator Benjamin Lachmann und reiht Angebote auf wie Defizittraining, medizinische und sportpsychologische Betreuung, Massagen, Physiotherapie, Ernährungslehre – mit den Experten des Olympiazentrums. „Der Übergang dorthin ist dann ein fließender“, so Lachmann.

Aktuell zählt das SportBORG 174 SchülerInnen aus 32 Sportarten von American Football bis Voltigieren. Die meisten stellt der Fußballverband, gefolgt von Schwimmen, Klettern, Eishockey und Rodeln, Skateboarding als neuer Olympia-Sport ist der jüngste Neuzugang. Lachmann: „Wir sind offen für vieles, mein Wunsch insgesamt ist aber, dass sich mehr Nachwuchstrainer finden. Der Bedarf ist riesig.“

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Leistungsdiagnostik beim FC Wacker

FC Wacker

Kooperation Nachwuchs FC Wacker Innsbruck und Olympiazentrum Campus Sport Tirol Innsbruck.

Der FC Wacker Innsbruck kooperiert ab sofort im Nachwuchsbereich mit dem Olympiazentrum und erreicht somit in der Entwicklung junger Talente den nächsten Professionaliserungsschritt.

„Nachwuchsspieler fördern“ lautet die Vorgabe der neuen Führung des FC Wacker Innsbruck. Durch die Durchlässigkeit innerhalb der Teams – vom Nachwuchs bis hin zur ersten Mannschaft – soll die Profiabteilung immer wieder mit jungen talentierten Spielern bestückt werden, die den Verein wieder in die höchste Liga Österreichs führen – eine Liga, die aktuell im internationalen Ranking, der 5-Jahres-Wertung, Fußballgrößen wie Belgien und Schweiz hinter sich lässt und beinahe genauso viele Punkte einfahren konnte wie die portugiesischen Topteams FC Porto, Benfica Lissabon oder auch Sporting Lissabon. Die Luft wird auch in der österreichischen höchsten Liga immer dünner, die Qualität steigt. Ebenso die physischen Anforderungen an die Spieler. 

Damit die Tiroler Talente eben diesen Anforderungen gerecht werden können, benötigt es eine periodisierte Erfassung des Ist-Zustands der Spieler, um ein individuelles Stärken/Schwächen Profil zu erstellen. Mit großer Freude konnte nach einiger Zeit an Vorarbeit eine langfristig angelegte Kooperation mit dem Olympiazentrum Innsbruck unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Christian Raschner eingegangen werden. Folglich wurde von der sportwissenschaftlichen Abteilung des Nachwuchses unter der Führung von Florian Anderle in Zusammenarbeit mit Dr. Christian Raschner eine an die physischen Anforderungen des Fußballs angepasste Testbatterie erstellt. So werden die Nachwuchskicker nun drei Mal jährlich auf ihre fußballspezifischen Fähigkeiten in Sprint, Sprung, Beinkraft der Adduktoren, Abduktoren und Hamstrings getestet. Zudem wird ein Gleichgewichts- und Beweglichkeitstest durchgeführt. Diese Testungen geben zum einen Hinweise auf die individuelle Leistungsentwicklung der Talente, zum anderen decken sie, im Sinne einer Verletzungsprophylaxe, etwaige Seitigkeiten bei den Spielern frühzeitig auf.

Nicht nur bei der Organisation und Durchführung der Leistungsdiagnostik unter der Leitung von Frederik Krassnitzer greift das Olympiazentrum dem FC Wacker Nachwuchs unter die Arme, auch die aus den Testungen gewonnenen Daten werden professionell aufbereitet. Mit Hilfe dieser Daten sollen die Tiroler Diamanten nun so geschliffen werden, um Wacker Innsbruck wieder dorthin zu bringen, wo ein Verein dieser Größenordnung und dieser Fangemeinschaft hingehört – in Liga Eins. 

© fc-wacker-innsbruck.at // Foto: OZ

Vom Überblick zum Detail

Rebecca Köck

Trainingsplanung.

Lukas Höllrigl, im Olympiazentrum Innsbruck für Training und Leistungsdiagnostik zuständig, betreut neben Spitzensportlerinnen und -sportlern einiger Sportarten u.a. auch die ÖSB-Kaderschützinnen Nadine Ungerank, Olivia Hofmann und Rebecca Köck. Die Erstellung und permanente Reflexion von Trainingsplänen sind die Basis seiner Arbeit mit den Athletinnen und Athleten und der Grundstein auf dem Weg zum Erfolg.

Seit jeher strebt der Leistungssport nach Struktur im individuellen und erweiterten organisatorischen Rahmen um Leistungen punktgenau abrufen zu können und so die bestmögliche Performance am „Tag X“ zeigen zu können. So wurden einzelne Trainingseinheiten bereits in den 50er-Jahren von der Tschechoslowakischen Lauflegende Emil Zátopek erstmalig in Intervalle gegliedert, eine erste strukturierte Trainingseinheit im Ausdauertraining, das „Intervalltraining“, war geboren. Des Weiteren wurden erste längerfristige Trainingszyklen in der Planwirtschaft der ehemaligen UdSSR eingeführt. Lew Matwejew war hier die treibende Persönlichkeit und gilt somit als Begründer der Periodisierung im Sport. Es wurde vor allem in Olympiazyklen geplant, um für olympische Spiele in Höchstform zu sein.

Rahmentrainingsplan und Leistungsdiagnostik

Mittlerweile verfolgt eine Trainingsplanung natürlich weit mehr Ziele als im Vier-Jahres-Rhythmus in Topform zu sein. So wird von Trainerinnen und Trainern versucht die sportliche Entwicklung der Athletinnen und Athleten über verschiedene Zeiträume zu strukturieren. Eine Ausgangsbasis bietet hier der Rahmentrainingsplan der jeweiligen Sportarten: In diesem wird die langfristige Leistungsentwicklung vom Kindes- bis ins Höchstleistungsalter strukturiert und vorgegeben. Im Idealfall werden Rahmentrainingspläne von den jeweiligen Sportverbänden erstellt und den Trainerinnen und Trainern der einzelnen Leistungs- und Altersklassen zur Verfügung gestellt. In den Rahmentrainingsplänen werden Trainingsinhalte, Methoden sowie Umfänge und viele weitere Kennziffern definiert. Diese trainingssteuernden Größen sollten in der betreffenden Entwicklungsstufe eine definierte Ausprägung erreichen. Dies wird fortlaufend mittels Leistungsdiagnostiken und Trainingsanalysen überprüft.

Hier wird natürlich ersichtlich, dass eine lückenlose Leistungsdiagnostik für die Überwachung des Trainingsfortschrittes unerlässlich ist. Diese muss in spezieller Form für die Schützin und den Schützen am Schießstand, aber natürlich auch in allgemeiner sportmotorischer Form durchgeführt werden. Durch diese Vorgehensweise kann gewährleistet werden, dass Nachwuchssportlerinnen und Nachwuchssportler in den Entwicklungsstufen der Kaderpyramide nicht „durch den Rost fallen“ und sich auf dem richtigen langfristigen Weg befinden.

Das Trainingsziel in der Trainingsplanung

Es kann also festgehalten werden, dass jede Trainingsplanung mit einem Abgleich des aktuellen Leistungsniveaus mit dem Trainingsziel beginnt. Darauffolgend muss der lange Weg ans Trainingsziel in immer kleiner werdende Teilschritte heruntergebrochen werden. Man spricht von Trainingsperioden. Diese Perioden sind definiert durch die Trainingsinhalte, Umfänge, Intensitäten, aber auch Trainingsziele. Eine wichtige Aufgabe von Trainerinnen und Trainern hierbei ist es, die Realisierbarkeit der gewünschten Entwicklung im jeweiligen Zeitraum genauer zu betrachten und realistisch zu bewerten. Wenn beispielsweise unrealistisch hohe Ziele von den Athletinnen und Athleten verfolgt werden, sind Enttäuschungen vorprogrammiert, was der Motivation natürlich kaum zweckdienlich erscheint. Hier wird deutlich, dass wir uns in einem dynamischen Prozess befinden, welcher sich ständig kreislaufartig wiederholt.

Um sich jedoch nicht in zeitlich zu weit entfernten Trainingszielen zu verlieren, ist es unerlässlich, dass die Planung mit der groben Jahresplanung beginnt und immer kürzer werdend mit der einzelnen Trainingseinheit endet. Nur so kann der sprichwörtliche „große Berg“ vor dem man sich befindet in überschaubare Etappen heruntergebrochen werden. Mittlerweile werden diese Prozesse, auch am Olympiazentrum in Innsbruck, über fortschrittliche Softwaretools abgewickelt und auch überwacht.

Planung und Improvisation

Zusätzlich müssen in der modernen Trainingsplanung aber auch individuelle Gegebenheiten der Sportlerinnen und Sportler Berücksichtigung finden. So sollten beispielsweise schulisch belastende Phasen von Nachwuchssportlerinnen und -sportlern in der Trainingsplanung Berücksichtigung finden. Während des Trainingsprozesses wird dann laufend auf aktuelle Entwicklungen wie Krankheiten, Verletzungen oder sonstige unvorhersehbare Ereignisse Rücksicht genommen, wobei der ursprüngliche Plan als „roter Faden“ immer wieder die Richtung vorgibt. Eine solide Planung ist also die Grundlage für eine erfolgsversprechende Improvisation.

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 Lukas Höllrigl, MSc

Auszug aus dem ÖSB-Verbandsmagazin 10,9

www.schuetzenbund.at

LIKE A PRO – Ein Kohlenhydrat kommt selten allein

Like A Pro

Ein Kohlenhydrat kommt selten allein – Ernährungstipps für den Ötztaler Radmarathon

Text: Jannis Braun, Fotos: Stefan Gapp/Anna Lang

Alle Ötztaler-Teilnehmer:innen werden trainiert haben. Und sie alle werden bis in die Haarspitzen motiviert sein, sich ihren Traum zu erfüllen. Doch werden sie sich in der Vorbereitung auch mit dem Thema Ernährung auseinander gesetzt haben? 

Christian spricht aus, was viele Rennradfahrer:innen kennen: „Diese ganzen Müsliriegel und Zeugs, ich kann‘s nicht mehr sehen“. Genau wie Anna ist Christian gerade in der Phase für sich herauszufinden, wie er das Vorhaben Ötztaler Radmarathon ernährungstechnisch unterstützen kann. Als Zuhörer könnte man meinen, Christian tut sich als Laie verständlicherweise einfach etwas schwer, wenn das komplexe Thema Ernährung – nun ja – auf den Tisch kommt. Er selbst drückt es mit seiner sympathischen Art, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, etwas drastischer aus: „Ich bin da schon eine Flasche und relativ ideenlos in der Hinsicht. Wenn ich da zwei Pfannen stehen habe, aber keine vorgeschriebenen und abgewogenen Zutaten, bin ich völlig überfordert.“

Eine gewisse Basis ist aber da, denn Christian achtet darauf, „dass ich mich möglichst ausgewogen ernähre, aber ich verfolge da bisher kein ausgeklügeltes System. Ich kann das jetzt im Alltag nicht zur riesen Wissenschaft machen, da bin ich zeitlich und nervlich ja komplett am Ende“. Bevor das passiert, haben wir uns mit einer Expertin getroffen, die die Ernährung tatsächlich zur Wissenschaft gemacht hat und unseren beiden Schützlingen mit ihrer Expertise ein bisschen unter die Arme greift. 

Der „Ötztaler“ feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. Wenn es die Situation am 29. August 2021 zulässt, zählen auch die beiden Hobbyrennradfahrer Anna und Christian zu den Geburtstagsgästen. Gemeinsam mit dem Olympiazentrum Tirol begleiten wir das Duo. Vom ersten Medizinischen TÜV bis – so ist es ihr Traum – über die Ziellinie in Sölden.


Ein unterschätzter Faktor

Lisa Totschnig hat Ernährungswissenschaften und Sportwissenschaft studiert und seit zwei Jahren am Olympiazentrum Tirol tätig. Sie ist überzeugt, „dass man mit einer bewussten, zielorientierten Ernährung viel bei der Leistung rausholen kann.“ Oft ist der Einfluss der Ernährung auf die Leistungsfähigkeit noch unterschätzt.

Lisa betreut am Olympiazentrum rund 90 Athlet:innen aus verschiedenen Sportarten in allen Aspekten der Sporternährung. Zumeist klärt sie Fragen zu Sportnahrungsprodukten, werter Ernährungsprotokolle aus und arbeitet Wettkampfstrategien aus. „Ernährungstechnisch stellt dich der Ötztaler Radmarathon vor eine besondere Herausforderung. Es gibt wenige Sportwettbewerbe, wo du wirklich 10 Stunden unterwegs bist“, betont Lisa. Entsprechend braucht es dafür eine gut überlegte Ernährungsstrategie. Aber auch im Vorfeld des Wettkampfes kann man einiges tun, um am Tag X die bestmögliche Leistung abzurufen.

Mit aller Macht gegen den Hungerast

Bisher lief es rund im Anstieg zum Kulminationspunkt der Ausfahrt. Und ganz plötzlich scheint man zu stehen. Die Signale des schleichend eintretenden Leistungsabfall wurden ignoriert. Der Körper schreit auf. In Form einer streikenden Muskulatur. Oder mit anderen Mangelerscheinungen wie Schwindel, Übelkeit oder zitternden Händen. Nichts geht mehr. Dabei hat man doch eigentlich so gut trainiert. Aber offenbar nicht ganz so gut gegessen. Die Muskulatur schreit „Kohlenhydrate, bitte!“ und der ganze Körper antwortet „Hungerast!“. Viele Radfahrer haben dieses Stadium schon erlebt, das es für Anna und Christian während des Ötztalers unbedingt zu verhindern gilt.

„Kohlenhydrate sind das Benzin der Rennradfahrer. Wie ein Auto bleiben sie einfach stehen, wenn der Kohlenhydrate-Tank leer ist.“

Lisa Totschnig

„Während des Rennens haben Kohlenhydrate definitiv den höchsten Stellenwert der Makronährstoffe“, unterstreicht Lisa. Sie sind das Benzin der Radsportler:Innen, „genau wie ein Auto bleiben Rennradfahrer einfach stehen, wenn der Kohlenhydrate-Tank leer ist“. Schließlich kann ein Auto noch so viel PS haben, ohne Benzin bringt es diese nicht auf die Straße. „Bei moderatem Training ist ein leerer Kohlenhydrat-Tank kein riesiges Problem, der Körper greift auf Fettreserven zurück“, erklärt Lisa. Ist die Belastungsintensität wie beim Ötztaler Radmarathon allerdings enorm, ist die Energieversorgung über Fette keine Alternative. Der Vorgang der Energiegewinnung erfolgt zu langsam, „man fährt unweigerlich in einen Hungerast hinein“.

Ziel der ernährungstechnischen Wettkampfstrategie ist es deshalb, bereits mit möglichst vollem Kohlenhydrat-Speicher in den Wettkampf zu gehen und dessen Füllniveau während des ganzen Rennens konstant weit oben zu halten. 


Schaufeln, was der Löffel hält

Abhängig von Körpergröße, Geschlecht und Stoffwechsel liegt der Energieverbrauch beim Ötztaler schnell im hohen 5-stelligen Bereich. „Es ist unmöglich, diesen Energiebedarf allein während des Rennens zu decken“ stellt Lisa klar. Umso wichtiger ist es vor dem Rennen das Prinzip der Superkompensation anzuwenden, um mit vollen Glykogen-Speichern ins Rennen zu gehen.

Etwa eine Woche vor dem Ötztaler Radmarathon leeren kurze, harte Trainingseinheiten und eine gleichzeitig geringe Kohlenhydratzufuhr die Glykogenspeicher im Körper komplett aus. Drei, bis vier Tage vor dem Rennen sollten Trainingsumfang und -Intensität dann zurückgestuft werden. Nun beginnt das große Carb-Loading. Das Motto: „So viele Kohlenhydrate schaufeln wie es geht. Nudeln und Reis. Von früh bis spät.“ Die Glykogenspeicher sind dann über das normale Maß hinaus gefüllt.

Die Basis für das Rennen ist geschaffen. Die Gefahr, schnell den Tiefpunkt zu erreichen, wenn die Kohlenhydrat-Aufnahme während des Rennens einmal verpasst wird, verringert sich.

„Das Rennen selbst sorgt schon dafür, dass man nicht mit überschüssigen Energie-Reserven ins Ziel kommt. Das Ziel ist es deshalb, nie zum Tiefpunkt abzurutschen.“

Lisa Totschnig


Nicht die Zeit für Experimente

Während des Rennens heißt es dann, mit allen (Lebens-)Mitteln versuchen, den Tank so gut wie es geht zu füllen. „Dabei kann man sich an einer Zufuhr von 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde orientieren“ empfiehlt Lisa. 

Vor meinen Augen tauchen schon die Labestationen auf der Strecke auf. Kuchen, Semmeln, Bananen, Suppen, Sportgetränke in Hülle und Fülle. Lisas Stimme unterbricht meine Essensträume. Sie mahnt, es wirklich mit allen Lebensmitteln zu probieren. Zu sensibel ist der Magen-Darm-Trakt bei einer Belastung auf Niveau des Ötztalers. Abwechslung ist aber dennoch willkommen bzw. bitter notwendig. Denn irgendwann kriegt man eben einfach keinen Riegel mehr runter. „Aber bitte nur mit Lebensmitteln, die man kennt und in der Kombination beim Training schonmal ausprobiert hat“, so Lisas eindringlicher Rat. 

Am Anfang des Rennens ist es wichtig, mit fester Nahrung eine Basis zu schaffen. Die ersten paar Stunden empfiehlt Lisa deshalb mit Riegeln, oder selbst zubereitetem Reiskuchen, Bananen- oder Dattelbrot zu starten, „dann kann mal die Banane kommen und dann erst mit Gels starten“. Gerade bei den Gels gilt es deren Verträglichkeit zu testen. „Wenn ich mich 10 Stunden nur von Gels ernähre, ist es ganz natürlich, dass der Magen dann sagt, ‘halt, stop! Mag ich nicht!‘.

Natürlich haben die Labestationen dennoch ihre volle Berechtigung. Nicht alle Teilnehmer:innen können auf den Luxus zurückgreifen, ein Team an der Strecke zu haben, das einen immer wieder mit Nachschub an Riegeln & co versorgt. In dem Fall ist man auf die Lebensmittel angewiesen, die der Veranstalter zur Verfügung stellt.

„Wenn man mitten im Rennen anfängt mit neuen Sportnahrungsprodukten zu experimentieren, finde ich krasser, als wenn jemand mit einem neuen Rad startet.“

Lisa Totschnig

Lisa rät, sich einige Zeit vor dem Rennen unbedingt darüber zu informieren, was für Sportnahrungsprodukte an den Labestationen ausgegeben werden und diese im Trainingsalltag zu testen, um Ernährungsgewohnheiten zu entwickeln. „Sporternährungsprodukte setzen sich alle aus unterschiedlichen Inhaltsstoffen und Nährwerten zusammen. Genau wie unser ganzer Körper während des Ötztalers an seine Grenzen kommt, erreicht auch speziell unser Magen-Darm-System sein Limit und reagiert in diesem Zustand bei vielen Personen empfindlich auf ungewohnte Nahrung. 

Lisa zieht gerne den Vergleich zu der Situation, die vielen widerfährt, die ihren Urlaub in einem Land mit fremder Küche verbringen. Und die ersten Tage erstmal mit Magen-Darm-Problemen verbringen. Natürlich betreffen solche Probleme nicht jeden, aber um ihren Punkt nochmal zu verdeutlichen, macht sie darauf aufmerksam, dass man in einem Wettkampf ja auch nicht auf einmal ein neues Rad, neue Laufschuhe, oder eine neue Sattelhöhe ausprobiert. Ein beleidigtes Magen-Darm-System gefährdet die ganze Leistungsfähigkeit von Körper und Kopf, ist also entscheidend für den Erfolg des Rennens.

Um die anvisierte Zufuhr von 90 Gramm pro Stunde zu halten, sind speziell entwickelte Sportgetränke hilfreich. Diese gibt es in extrem hochdosierten Variationen und erfüllen drei Notwendigkeiten in einem Lieferanten: Kohlenhydrate, Elektrolyte und Flüssigkeit. Obendrauf nimmt das Pulver, mit dem man sich das energetische Flüssig-Benzin unterwegs zusammenbrauen kann, wenig Stauraum ein.

Ob flüssig, oder fest, letztendlich hat Lisa in der Praxis festgestellt, dass man am Wettkampftag gar nicht genug Kohlenhydrate zuführen kann: „Das Schlimmste was passiert, ist, dass man es am Abend wieder ausscheidet“. Und das ist ja nun wirklich nicht so schlimm, wie mitten im Timmelsjoch-Anstieg zu stehen, ob als Radfahrer ohne Energie, oder in einem Auto ohne Benzin. 


Die letzten Stunden vor dem Ötztaler

Die Ötzaler-Anwärter:innen treten die Jagd nach ihrem Traum an, während der Großteil der Menschen noch in ganz anderen Träumen verweilt. Die frühe Startzeit bringt einige Ernährungsfragen mit sich. Sollte ich direkt vor dem Rennen noch Frühstücken? Wenn ja, was? Sollte ich am Vorabend noch spät mit aller Macht die letzten Speicherkapazitäten füllen?

Man sollte auf jeden Fall in der Früh vor dem Start noch etwas Festes zu sich nehmen. „Ein 10-Stunden-Rennen ohne Frühstück anzugehen, ist für die Energie-Bilanz nicht förderlich“. Es muss nicht das Weizensemmel sein. Ein Porridge oder ein Bananen-Haferflocken-Topfen-Shake sind gute Alternativen. Von schwer Verdaulichem wie ein Vollkornbrot mit Käse und Schinken würde Lisa abraten. Der zeitliche Abstand zum Rennen ist ebenfalls zu berücksichtigen, sodass im Bestfall noch ein Toilettengang möglich ist, bevor man den langen Ritt über Kühtai, Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch in Angriff nimmt. Leistet der Magen-Darm-Trakt zu Beginn des Rennens Schwerstarbeit bei der Verdauung, fließt das Blut in den Verdauungstrakt und fehlt so in der Muskulatur. Um 22 Uhr noch so viel wie möglich essen und eine Stunde später ins Bett gehen, ist laut Lisa keine empfehlenswerte Taktik. Die Schlafqualität nimmt mit vollem Magen ab, „wenn man um 22 Uhr ins Bett geht, sollte man spätestens um 19 Uhr die letzte Mahlzeit zu sich nehmen. Ansonsten kommt der Körper schwer in tiefe Schlafphasen.“

Es kann auch helfen, den Essensrhythmus in den Tagen vor dem Ötztaler, schon einmal entsprechend anzupassen.


Koffein als legales Doping

Ob Kohlenhydrate enthalten sind oder nicht, eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist beim Ötztaler ebenfalls essentiell für ein erfolgreiches Rennen. Abhängig von individuellem Flüssigkeitsbedarf und vor allem der Lufttemperatur, ist es schwer, eine allgemeine Kennzahl zu definieren. Als Richtwert können 500-750ml pro Stunde herangezogen werden. Bei heißen Temperaturen steigt dieser Mindestbedarf drastisch an. Während bei kalten Temperaturen der natürliche Drang nach Flüssigkeit geringer ist, muss man sich aber auch dort in Zweifel mit Hilfe von Tricks wie warmen Getränken in Thermosportflaschen disziplinieren und ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen.

Wird der Körper nicht mit genug Flüssigkeit versorgt, kann er nicht ordentlich funktionieren. Beanspruchen wir unsere Muskulatur, entsteht im Körper Wärme. Schwitzen resultiert darin, dass der Körper gekühlt wird, aber auch darin, dass große Mengen Flüssigkeit und damit auch wichtige Spurenelemente und Elektrolyte wie Magnesium oder Natrium den Körper verlassen. Werden diese Verluste nicht kompensiert, gerät der Organismus in Gefahr zu dehydrieren: Die Körpertemperatur und Herzfrequenz steigen. Von Konzentrationsmängeln, Krämpfen und Schwindelanfällen bis zum kompletten Kreislaufkollaps können die Folgen für den Ausgang eines Wettbewerbs schwerwiegend sein.

Wie bei der Nahrungsaufnahme kann auch hier im Vorfeld Abhilfe geleistet werden, indem Teilnehmer:innen am Vortag viel trinken. Es reicht nicht, sich kurz vor Beginn des Rennens literweise Wasser runterzuschütten. So viel Wasser kann der Körper in kurzer Zeit nicht aufnehmen. Zwangsweise wird der erste Zwischenstopp am Straßenrand nicht lange auf sich warten lassen.

Koffein hat, überlegt eingesetzt, einen (legalen) leistungsfördernden Effekt, den man sich zu Nutzen machen kann. Da Koffein aber auch einen Gewöhnungseffekt hat, profitiert am Wettkampftag spürbar nur, wer vorher mindestens drei Tage, besser noch eine ganze Woche auf Koffein verzichtet. „Aber erzähl einem Rennradfahrer mal, dass er eine Woche kein Kaffee trinken soll“, fügt Lisa lachend hinzu. Wer während des Rennens auf Koffein setzt, sollte eine regelmäßige Zufuhr anstreben, sonst erlebt man sich für eine Weile zwar am Gipfel der Koffein-Gefühle, anschließend leider aber in einem kontraproduktiven Müdigkeitstief.


Spotlight auf die Proteine

Kohlenhydrate mögen zwar die prominenteste Rolle im Ausdauersport einnehmen, sind aber auf keinen Fall Alleinunterhalter im Schauspiel der Makronährstoffe, stellt Lisa klar. Auch die Proteine haben sich ihren Auftritt im Spotlight verdient. 

Wurde der Körper einer starken Belastung ausgesetzt, bemüht er sich darum, in Mitleidenschaft gezogene Strukturen zu reparieren und Energiespeicher wieder aufzufüllen. Gezielt gelegte Ernährungsmaßnahmen unterstützen den Regenerationsprozess.

„Entscheidend ist dabei, den richtigen Zeitpunkt – das sogenannte „open window“ – nicht zu verpassen“, erläutert Lisa. Dieses öffnet sich direkt nach dem Training und lässt am liebsten eine Kombination aus Proteinen und Kohlenhydraten herein. Proteine unterstützen vor allem die Regeneration der Muskulatur. Die Kohlenhydrate füllen die Glykogendepots des Körpers für neue Energieleistungen wieder auf. Verpassen Sportler das open window, bedient der Körper sich an körpereigenen Strukturen. Dies gilt es zu verhindern. Auch wenn es das Ziel ist, abzunehmen, sollten direkt nach dem Sport Nährstoffe zugeführt werden, um den Verlust von Muskulatur zu verhindern. Für die Gewichtsabnahme ist die Bilanz von Energieaufnahme und -Verbrauch über einen ganzen Tag entscheidend, nicht der schädliche Verzicht nach einer temporären Belastung. Möchten Finisher nach dem Ötztaler nicht tagelang mit dem Muskelkater des Lebens auf der Couch liegen, können sie schon unmittelbar nach dem Rennen beginnen, bewusst Proteine einzunehmen und so die anschließende Regeneration einleiten.


Rezepte für das Ernährungspuzzle

Ohne sich mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen, kann der Traum vom erfolgreich absolvierten Ötztaler Radmarathon schnell platzen. Was und wieviel wir essen und trinken, hat Einfluss auf den Trainingsfortschritt in der Vorbereitung, auf den Regenerationsprozess, mögliche Verletzungen und letztendlich die Leistungsfähigkeit während des Wettbewerbs. Kleinigkeiten in der Ernährung können während des Rennens darüber entscheiden, ob man über sich hinauswächst oder der Ötztaler zur Qual wird. „Jeder Teilnehmer hat hart trainiert, aber hat sich auch jeder gewinnbringend ernährt?“ fragt Lisa am Ende des Gesprächs in den Raum.

„Ich werde in den nächsten Tagen auf jeden Fall weiter fleißig daran tüfteln, was mir auf dem Rad am besten tut und schmeckt,“ beschließt Anna in voller Ernährungs-Euphorie. Seid ihr dabei?

Wer sich so ausführlich mit der Ernährung beschäftigt und bis hier gelesen hat, hat sich mindestens ein paar Rezepttipps von Lisa verdient: https://sport.tirol/de/serien/oetztaler-radmarathon/like-a-pro-4.html


Text: Jannis Braun, Fotos: Stefan Gapp/Anna Lang

LIKE A PRO – Der medizinische TÜV

Like A Pro

Der medizinische TÜV – von der Sporttauglichkeit bis zum Schwellenwert.

Text: Jannis Braun, Fotos: Stefan Gapp

Es ist nicht der in die Jahre gekommene Wagen, der am Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) auf den Prüfstand gestellt wird. Mit der Hoffnung, dass er verkehrstüchtig ist und man ihn ein weiteres Jahr den Zirler Berg hochquälen darf. Es ist der eigene Körper, der dort auf Herz und Nieren geprüft wird. In der Hoffnung, dass er aus medizinischer Sicht sporttauglich ist und Anna und Christian sich bedenkenlos ein ganzes Jahr quälen dürfen – für ihren Traum vom Ötztaler. 

Ich liebe meinen Renault Twingo. Baujahr 2009. 52 Kilowatt geballte Leistung. An diesem Tag schlägt seine Stunde der Wahrheit. Der jährliche Termin beim TÜV steht an. Es könnte knapp werden. Vieles steht auf dem Spiel. Ich male mir aus was passiert, wenn meiner nicht mehr ganz makellosen Schönheit auf vier Rädern die Verkehrstauglichkeit abgesprochen wird. Ein neuer Wagen bedeutet der Verlust unzähliger Erinnerungen. Und noch mehr Euros. Nie wieder bei strahlendem Sonnenschein die Nebelscheinwerfer einschalten, damit der Wagen wenigstens ein bisschen Coolness ausstrahlt. Nie wieder SUVs auf dem Weg von Innsbruck nach Seefeld ausbremsen. Horror-Szenario. Eine Welt würde zusammenbrechen.

Okay, ich gebe zu, bei Anna und Christian steht heute noch etwas mehr auf dem Spiel. Der Zufall wollte es so, dass zeitgleich auch ihre Stunde der Wahrheit schlägt. Der „Sportmedizinische TÜV“ am ISAG steht auf dem Plan. 

Der „Ötztaler“ feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. Wenn es die Situation am 29. August 2021 zulässt, zählen auch die beiden Hobbyrennradfahrer Anna und Christian zu den Geburtstagsgästen. Gemeinsam mit dem Olympiazentrum Tirol begleiten wir das Duo. Vom ersten Medizinischen TÜV bis – so ist es ihr Traum – über die Ziellinie in Sölden.

Ich denke an das bevorstehende TÜV-Ergebnis des Twingos und kann gut nachvollziehen, dass Anna vor dem Besuch im Testlabor in Natters „voll den Bammel hat“. Für sie ist es der erste sportmedizinische Test. „Da hauts mir sicher voll die Pumpen auffi und ich werde da voll krepieren“, ist sie überzeugt. Sarkastische „viel Spaß“-Nachrichten und Warnungen ihrer Freunde vor der Spiroergometrie, das angeblich „soo grausige“ Herzstück des Tests, zeigen Wirkung. Fragen tauchen in Annas Kopf auf. Fragen, an die Leistungssportler ohne konkreten Anlass keine Gedanken verschwenden. Was würde passieren, wenn das Ärzteteam medizinische Auffälligkeiten ans Licht bringt, die im (Sport-)Alltag bisher verborgen blieben? Bekomme ich das Okay für den Ötztaler oder ist an diesem Punkt bereits Schluss? Mit dem Projekt. Generell mit dem Leistungssport.

 

Eine Investition in die Gesundheit

Trotz allem was auf der Verlustseite steht, sehe ich meine Pflicht ein, den TÜV-Termin für den Twingo wahrzunehmen. Sollten zentrale Funktionen versagen, wird dieses so harmlos dreinblickende Auto zu einer Bedrohung. Für mich, aber auch für andere Verkehrsteilnehmer. Achterbahnen, Aufzuganlagen, Autos: Der TÜV prüft alles auf Fehlfunktionen, die in Stillstand schwer zu erkennen sind. Der TÜV bringt Sicherheit, so das Versprechen. Verstanden, der TÜV will mir nicht nur mein geliebtes Auto nehmen und damit auch noch Geld verdienen. 

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Schobersberger, Leiter des ISAG, bezeichnet das Testangebot am Institut gerne als „sportmedizinisches TÜV“. Der Kosename birgt eine Message: Wir geben dir mit unserer Sporttauglichkeitsprüfung Sicherheit und nehmen dir nicht irgendwas weg. Zwischen den Zeilen merke ich, dass Wolfgang Schobersberger um das Image der sportmedizinischen Tests kämpft. Sich für eine verantwortungsvolle Einstellung der Sportler gegenüber ihrer Körper und der Sportverbände gegenüber der Gesundheit ihrer Schützlinge einsetzt. Und sich wünscht, dass der Test als Chance und Wohl, nicht als Bedrohung oder Übel wahrgenommen wird.

Auch für die Athleten der großen Österreichischen Verbände, die das Team des ISAG regelmäßig untersucht, steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Erlaubnis ihrer Berufsausübung als Profisportler und damit um Sponsoringverträge und viel Geld. „Wir haben hier eine sehr schwierige, verantwortungsvolle Aufgabe. Mit ein paar Ausnahmen sind alle Athleten gesund und wir müssen die Stecknadel im Heuhaufen suchen“. Es geht darum, den Athleten zu schützen „der etwas hat, was keiner weiß, oder der etwas weiß, es aber keinem sagt“. Aus Sorge um seine berufliche Zukunft als Spitzensportler. Es sei wie bei scheinbar makellosen, hochtourigen Neuwagen, die fast immer halten, was sie von außen versprechen. Leider gibt es auch unter Spitzensportlern Einzelfälle, bei denen ein Defekt des Motors bzw. Herzkreislauf- oder Stoffwechselsystems erst unter voller Belastung zu Vorschein tritt. „Manchmal sind wir dann in der Rolle der bösen Buben oder Mädels. Aber die meisten danken uns, wenn wir etwas gefunden haben, was auch fatal hätte ausgehen können.“ 

Am Ende des sportmedizinischen Tests stehen zwei mögliche Ergebnisse. Überwiegend wird die Sporttauglichkeit attestiert. Tritt ein auffälliger Befund auf, werden Sportler zu Experten geschickt, um eine zweite Meinung über die vermeintliche Sportuntauglichkeit einzuholen. Sporttauglich bedeutet am ISAG, ob Athleten ihren Sport aus medizinischer Sicht ohne Bedenken ausüben können. Es gilt zu differenzieren: Während eine angeborene Herz-Rhythmusstörung für einen Ausdauersportler lebensgefährlich sein kann, kann ein Profi-Billardspieler weiterhin seinen Beruf ausüben. Die Entscheidung, ob ein Sportler von der Leistung her für eine bestimmte Sportart tauglich ist, fällt in den Kompetenzbereich der Trainer und Verbände. 

Ob Spitzen- oder Hobbysportler, der medizinische TÜV am ISAG läuft stets nach demselben Schema ab. In beiden Fällen wird geschaut, ob es internistische Auffälligkeiten gibt, wenn Probanden an ihre Leistungsgrenze gehen. Schobersberger bemängelt, dass gerade ambitionierte Hobbysportler das Angebot der sportmedizinischen Tests nicht ausreichend annehmen. Oftmals herrscht die Devise vor, „solange ich kein Problem habe, brauche ich keinen Arzt“. Die Bereitschaft, hohe Summen für Material auszugeben, übersteigt die Bereitwilligkeit, in die Bestätigung der eigenen Gesundheit zu investieren. In Schobersbergers Augen eine fragwürdige Priorisierung, die in dieser Ausprägung auch im Radrennsport Gang und Gebe sei.

Mit Nachdruck empfiehlt er jedem Ötztaler-Radmarathon-Aspiranten, vor Beginn der Vorbereitung einen Gesundheitscheck durchzuführen. Als Gegenleistung bekommen Sportler ihren aktuellen Leistungsstand abgebildet, eine Trainingsberatung sowie vor allem die wohltuende Rückversicherung, dass aus internistischer und orthopädischer Sicht nichts gegen die Aufnahme eines intensiven Trainings spricht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis (siehe Infobox) verdeutlicht, dass es dem ISAG dabei nicht um finanzielle Einnahmen geht, von denen sie als Institution des Landes ohnehin unabhängig sind.

 

In vier Stufen zur Sporttauglichkeit

Abgastest, Funktion des Fahrzeugkatalysators, Luftfilterwechsel beim Twingo, check!

Das Kurbeln des Ergometers, mechanische Pieptöne, die Lieblingsmusik unserer beiden Athleten und Anfeuerungsrufe füllen den Laborraum im ISAG. Das Herzstück des sportmedizinischen TÜVs, die Spiroergometrie ist wortwörtlich in vollem Gange. Christian sitzt schweißgebadet auf dem Ergometer. Von seinem Körper verlaufen Schläuche in verschiedene Messgeräte, die u.a. ein Belastungs-EKG, Blutdruckwerte und Atmungskurven auf mehrere Bildschirme zaubern. Alle 90 Sekunden erhöht sich der Widerstand, gegen den er antritt um 30 Watt. Im selben Abstand entnimmt eine Nadel Blutproben, um Christians Laktatkonzentration im Blut zu ermitteln. Mit jeder Belastungsstufe werden Parameter wie die Sauerstoffaufnahme und die CO2- Produktion generiert, und damit die Belastbarkeit seiner Lunge und seines Herzkreislaufsystems geprüft. Auffälligkeiten können u.a. auf Lungenfehlfunktionen, asthmatische Erkrankungen, Stoffwechselprobleme oder Herz-Rhythmusstörungen hinweisen. 

Irgendwann helfen dann auch die „geht schon, geht schon“-Rufe von Anna nichts mehr. Die Kurbel hört auf sich zu drehen, die Beinmuskulatur wird nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, Christian hat die maximale Leistungsgrenze erreicht. Und lehnt mit letzter Kraft dankend eine zweite Runde ab. Das große Finale ist geschafft. 

Airbag-Funktion beim Twingo, check!

Eine Stunde vorher herrscht noch Ruhe im Raum. Christian sitzt entspannt auf einem Hocker. Eine Klammer verschließt seine nasalen Atemwege und ein Messgerät liegt wie eine übergroße Zigarette in seinem Mund. Da sind wir auch schon beim Thema. Die Spirometrie untersucht die Lungenfunktionen im Ruhezustand des Körpers, die Vorstufe der Spiroergometrie sozusagen. „Hol so tief Luft wie es geht und knall sie bis zum Ende aussi“ weist der Diagnostiker Herbert Sailer Christian an. Der daraufhin so viel und lange, wie seine Lunge hergibt, Luft in das Lungenvolumenmessgerät befördert. „Ich bin der beste auf meinem Niveau“ kommentiert Christian das Ergebnis mit einem Augenzwinkern. „Die Doktorin wird schon zufrieden sein“ erwidert Herbert nüchtern. Das ist sie. Die Menge der ein- und ausgeatmeten Luft, sowie die Fließgeschwindigkeit der Luft bewegen sich bei Christian in regulären Bahnen. Keine Lungenfunktionsprobleme oder asthmatische Atemwegserkrankungen bei unseren beiden Athleten im Ruhezustand.

Motorfunktionen, Einspritzpumpe, Elektronik beim Twingo, check! 

Weiter geht’s im Programm. Gleichmäßige Herzspannungskurven zeichnet der Elektrokardiograf auf den Display. Christians Herz schlägt beständig. „Es gibt gutartige Rhythmusstörungen und fast bei jedem Menschen stolpert das Herz im Schlaf oder untertags einmal“, erklärt Schobersberger. Es gibt aber eben auch einen ganzen Katalog an gefährlichen Rhythmusstörungen, die im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Herz eines Athleten unter hoher Belastung keine Leistung mehr erbringt. Bei Anna und Christian sind keine Anhaltspunkte für Herz-Rhythmus-Störungen zu erkennen, die bei Belastung gefährlich werden könnten. Ihre Motoren laufen einwandfrei.   

Druck und Siedepunkt der Bremsflüssigkeit beim Twingo, check!

Gelassen liegt Anna auf der Behandlungsbank. „Geht’s dir auch gut? Wird dir nicht schwindelig beim Aufstehen?“ fragt Herbert etwas überspitzt aufgrund ihres niedrigeren Blutdrucks etwas überspitzt. Schlägt das Blutdruck-Messgerät extrem in eine Richtung aus, gibt es ernsthaften Anlass zur Sorge. Ein überproportionaler Anstieg oder Abfall des Blutdrucks im Verhältnis zur Belastung wäre eine Gefährdung des Herz-Kreislauf-Systems und somit auch ein Befund, der zur Sportuntauglichkeit führt. Kein Grund zur Sorge. Die anfänglichen Bedenken und Aufgeregtheit haben sich bei Anna schon lange in Neugier und Interesse an den Funktionen des eigenen Körpers gewandelt. Sie ist einfach nur tiefenentspannt.

Jetzt ist aber auch bei Anna Schluss mit Ruhe und der Belastungsmodus wird eingeschaltet. Alle Parameter werden bei ihr jetzt gemessen, um belastungsspezifische Fehlfunktionen auszuschließen. 

 

Das Spiel mit den Schwellenwerten

Darüber hinaus werden bei der „Spiro“ sportwissenschaftliche Daten generiert, die Annas und Christians aktuelle Leistungsfähigkeit aufzeigen. Lukas Höllrigl, Leistungsdiagnostiker am Olympiazentrum Tirol und Annas und Christians Trainer während des Projekts, fischt vor allem Laktatwerte und Atemparameter aus der Datenflut. Diese geben ihm Aufschluss über Stoffwechselvorgänge im Körper, bei unterschiedlichen Belastungsstufen. „Laktat bildet sich im Muskel, sobald der Sauerstoffbedarf zur Energiegewinnung die Sauerstoffaufnahme überschreitet“ erklärt Lukas. Der Körper schaltet an dieser Schwelle in den anaeroben (sauerstofflosen) Bereich um, gewinnt von da an Energie aus dem Prozess, in dem Zucker in Milchsäure und das Abfallprodukt Laktat (Salz der Milchsäure) umgewandelt wird. Irgendwann wird mehr Laktat produziert als der Körper abbauen kann und der Muskel übersäuert aufgrund der hohen Konzentration an Milchsäure. Die maximale Leistungsgrenze ist erreicht und kann nur für einen kurzen Augenblick gehalten werden, bevor der Muskel komplett ermüdet. 

Mittels der Daten aus dem sportmedizinischen Test kann Lukas also die anaerobe Schwelle von Anna und Christian ermitteln. Je nach Trainingszustand erreichen sie diese bei unterschiedlicher Herzfrequenz bzw. sportlicher Leistung (in Watt). Je weiter diese Schwelle und Werte durch gezieltes Training steigen, umso länger können Anna und Christian beim Ötztaler Radmarathon eine höhere Leistung treten.

Außerdem ermittelt Lukas aus den Messdaten vergleichbare Parameter wie die maximale Leistung pro Kilogramm Körpergewicht in Watt oder den VO2-Max Wert: Die Menge an Sauerstoff in Milliliter, die der Körper pro Minute und Kilogramm Körpergewicht bei maximaler Leistung „verstoffwechseln“ kann. Definierte Laktatleistungsschwellen (meistens aerob, anaerob, maximal) ermöglichen es ihm zudem, die Intensität von Trainingseinheiten zu beschreiben und Fixpunkte festzulegen: „Beziffern wir zum Beispiel die anaerobe Schwelle mit 100 % kann ich Anna und Christian dann sagen, sie sollen heute eine Intervalleinheit im Bereich von 105 %  ihrer anaeroben Schwelle oder ein Grundlagenausdauer-Training im Bereich von 60 % der Schwelle durchziehen, orientiert an ihrer Herzfrequenz oder Wattanzahl.“ Auf diese Weise kann Lukas Trainingsintensitäten individuell auf die beiden Athleten relativieren und Trainingspläne entsprechend ihrer starken und schwachen Trainingsbereiche (z.B. Grundlagenausdauer, Maximalleistung) zusammenstellen. 

Christian begeistert die Möglichkeit, seine Leistungsfähigkeit basierend auf sportwissenschaftlichen Parametern zu erfassen und mit gezieltem Training an das Optimum zu bringen: „Mein Fitnesszustand beruht jetzt nicht mehr nur auf ein Gefühl, sondern auf Zahlen. Und es ist super cool, dass wir mit Hölli da jemanden haben, der uns verständlich erklären kann, warum und wofür wir das alles machen“. Um noch hinterher zu schieben, „dann muss ich die ganzen Daten nicht komplett verstehen, ich bin ja kein Wissenschaftler!“. Das kann ich nachvollziehen. Ich bin ja auch kein KFZ-Mechaniker und verstehe nicht bis ins letzte Detail, was der Siedepunkt der Bremsflüssigkeit mit der Bremswirkung zu tun hat. Dafür gibt es ja Mechaniker, die aus meinem Twingo das Optimum an Bremsleistung herausholen. 


Am Ende bleibt ein gutes Gefühl

Am Ende der „Spiro“ strahlt Anna über das ganze Gesicht. Obwohl auch sie gerade Unmengen an Sauerstoff verstoffwechselt hat und den hohen Laktatwert in ihrer Beinmuskulatur spürt: „So dramatisch war’s jetzt gar nicht. Irgendwann wollen deine Haxn einfach nicht mehr und das wars dann. Aber: Überstanden!“

Kurz darauf bekommen Anna und Christian im Nachgespräch mit der Fachärztin für innere Medizin, Lydia Pesserer, ihr medizinisches Pickerl aufgeklebt. Der gewünschte Abschluss eines erkenntnisreichen Tages. Es sei schon ein lässiges Gefühl, „wenn die Ärztin einem dann sagt, dass man gesundheitlich fit und uneingeschränkt leistungssporttauglich ist“. Anna weiß nun, dass sie sich „mit gutem Gewissen und ohne Bedenken ein hartes Training eini hauen kann und ich meinem Körper dabei nichts Schlechtes tue“. Auch das kann ich verstehen. Mit der Nachricht, dass mein Twingo mit leichten Mängeln die Verkehrstauglichkeit bestätigt bekommen hat, löst sich eine gewisse Anspannung. 

Am nächsten Tag sitzen Anna, Christian und ich in meinem frisch geprüften Auto. Alle mit einem guten Gefühl. Der Twingo kämpft sich auf dem Weg zum Loipeneinstieg in Seefeld tapfer den Zirler Berg hoch. Die Drehzahl ist am Anschlag, der Motor schreit, kein Problem. Auf der Loipe pumpen unsere Herzen und unsere Lungen schnappen nach Luft, kein Problem. Sorry liebe SUV-Fahrer. Sorry liebes Teilnehmerfeld. Ötztaler wir kommen! Unaufhaltsam. Hoffentlich.

Text: Jannis Braun, Fotos: Stefan Gapp

„There is always something to learn.“

Bettina Wildauer

Seit 2019 ist Bettina, bekannt als Betty, nun fester Bestandteil im Olympiazentrum (OZ). Als einzige weibliche Trainerin des OZ-Teams betreut sie zwei Tennisspielerinnen und einen Golfer. Den Spaß am Trainerjob hat sie bis heute nicht verloren und bereits vor ihrem Arbeitsleben im OZ als Co-Trainerin in der Leichtathletik unter Beweis gestellt. Ihre weiteren Kernaufgaben sind sowohl die Leistungsdiagnostik als auch die Betreuung der PraktikantInnen. Auch wenn sie sich gerne mal unter ihrem Wert verkauft, ist es beachtlich, dass sie neben ihrer Arbeit im OZ, aufbauend auf ihrem Bachelorstudium, nun noch ein Vollzeit Masterstudium am Institut der Sportwissenschaft absolviert.

Neben aller Disziplin und Ernsthaftigkeit im täglichen Arbeitsablauf, darf der Humor bei ihr nie fehlen. So ist die Zillertaler-Frohnatur im OZ stets lustig, lebensfroh und lachend anzutreffend und trägt damit auch ihren Teil zu dem sehr guten Arbeitsklima im OZ bei.

“On your best days you learn confidence. On your worst days you learn persistence. There is always something to learn.”

Bettina Wildauer

Hinsichtlich des Freizeitsports ist es allerdings sehr schwer für sie zwischen den Bergen und dem Meer zu entscheiden. Aber eine Sache darf an beiden Orten nie fehlen und das ist ein Board. Mit Boards kennt sich Betty nämlich aus! Denn als begeisterte Surferin lässt sie das ein oder andere Mal auch gerne „ihr“ Tal außen vor und sucht dafür die perfekte Welle in der weiten Welt.

Die Leidenschaft für den Sport ist schon von klein auf bei ihr verankert. Als Österreichische Meisterin in zwei sehr unterschiedlichen Sportarten, in der Leichtathletik (Mehrkampf) sowie im Snowboard Slopestyle, berichtet sie uns nun im Anschluss von ihren Erfahrungen, nachdem sie die Seite von einer aktiven Leistungssportlerin zur Trainerin gewechselt hat.  

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WORDRAP „DA SCHAU HER“

Wie ist es als einzige Trainerin im Trainerteam des Olympiazentrum Tirols?

Ich bin wirklich happy, dass ich neben meiner Tätigkeit in der Leistungsdiagnostik nun auch AthletInnen als Trainerin betreue. Unser Trainerteam im OZ besteht aus sehr erfahrenen TrainerInnen und die Stimmung im gesamten Team ist echt super! Ich hole mir immer wieder gerne Tipps und Ratschläge von meinen Kollegen ein – man lernt nie aus und ich lasse mich gerne von der Arbeit meiner Kollegen inspirieren.

Worin unterscheidet sich die Rolle der Trainerin zur Rolle des Trainers?

Meiner Meinung nach unterscheidet sich die Rolle grundsätzlich nicht. Generell würde ich jedoch sagen, dass die Trainerbranche teilweise noch eher „männerdominiert“ ist und Frauen sich in diesem Feld erst noch weiter etablieren müssen, um Ansehen zu erlangen. 

Welche Vorteile hat es für AthletInnen eine Trainerin anstatt eines Trainers zu haben?

Ich denke nicht, dass man allgemein von Vor- oder Nachteilen für AthletInnen sprechen kann. Es ist sicher in Bezug auf die Erfahrungen und Vorlieben der AthletInnen und der jeweiligen Sportarten sehr individuell zu betrachten.

Welche Philosophie verfolgst du bei der Arbeit mit deinen AthletInnen?

Ich bin sicher nicht die überstrenge Trainerin aber ich glaube, sich auf dem Grat zu bewegen zwischen wirklich streng sein, Disziplin und trotzdem Spaß zu haben, ist die Kunst und zugleich größte Herausforderung für mich als Trainerin.  

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Um sich auf jeden Athleten und jede Athletin individuell einstellen zu können und deren jeweilige körperliche Verfassung im Blick zu haben, wird hier im Olympiazentrum das Programm „Athlete Monitoring“ zur Unterstützung genutzt. Den AthletInnen wird über dieses Portal ermöglicht, dass sie einen Selbstbericht bzgl. Wohlbefindens, Trainings-, Fitnesszustands, Verletzungen, Zyklustracker, und vieles mehr in der App abgeben können. Diese Daten und das individuelle Hintergrundwissen über die jeweiligen AthletInnen, sind eine große Hilfe für die TrainerInnen, um das Training optimal zu steuern, Risiken zu erkennen, die Regeneration zu optimieren und die Leistung zu maximieren.

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Was sind für dich Herausforderungen als Trainerin?

Individuell für jede Athletin bzw. für jeden Athleten die Herangehensweise zu finden, wie man mit ihm arbeiten und umgehen muss bzw. kann. 

Was würdest du gerne angehenden SportwissenschaftlerInnen bzw. TrainerInnen mit auf den Weg geben?

Den Mut zu haben Neues auszuprobieren und sich nicht einschüchtern zu lassen, wenn Dinge nicht auf Anhieb funktionieren. Allgemein braucht man viel Mut, weil man bei einigen Sachen sicher auf sich allein gestellt ist und zusätzlich auch, um sich in dieser Branche durchsetzen zu können. 

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AutorInnen des heutigen Blogposts → Anna Bürck, Praktikantin, 21 Jahre, aus Baden-Württemberg & Anna Vogl, Praktikantin, 21 Jahre, aus Bayern – studieren beide an der Technischen Universität München im Bachelor Sportwissenschaft.

Plötzliche Stille im Sport

Wie wirkte sich die corona-bedingte Zwangspause auf Profisportler aus? Wie motivierten sie sich während des Lockdowns? Und hatte das Ganze auch Positives? Unser Trainer Lukas Höllrigl und unser Athlet Markus Wildauer berichteten bei sport.tirol gemeinsam mit Sportpsychologe Christopher Willis über ihre Erfahrungen.

 

Lukas Höllrigl über die Erfahrungen aus Sicht der TrainerInnen

Durch den Ausbruch von Covid-19 wurde dem heimischen Radsport eine längere Zwangspause verordnet. Lukas, wie hast du die vergangenen Monate als Trainer erlebt?

Es war so, dass die Rennen im Profiradsport ebenso wie im U23-Bereich schon gestartet haben und man sich gewissermaßen schon in der heißen Phase befand, als man durch die Coronakrise abrupt zum Stillstand gezwungen wurde. Die Sportler kamen quasi gerade aus dem Winterschlaf, waren wirklich heiß auf die Wettkämpfe – und dann war alles nach wenigen Rennen schon wieder vorbei. Da war die Enttäuschung bei dem einen oder anderen natürlich ziemlich groß.

Wie hat sich das auf den Alltag der Sportler ausgewirkt?
Man muss das Ganze in zwei Phasen unterteilen. In der strengeren Phase mit dem Lockdown war es für die Athleten schwierig, sich bei Laune zu halten. Wenn ein Radfahrer nicht auf sein Rad kann, leidet natürlich die Motivation. Als Trainer muss man versuchen, sich Dinge einfallen zu lassen, damit die Fahrer trotzdem was zu tun haben. Sie sagen: Okay, ich habe zwar im Moment nicht die Möglichkeit, aufs Rad zu steigen, dafür arbeite ich aber an Bereichen, die sonst vielleicht auf der Strecke bleiben, etwa ganz allgemein am Bewegungsapparat oder an der Mobilisation. Dann gab es die andere Phase, in der Wettkämpfe zwar nicht absehbar waren, man aber zumindest wieder Rad fahren konnte, wenn auch nur in Österreich und nicht über die Grenzen hinaus. Da war alles schon wieder um einiges einfacher.

Was waren für dich als Trainer die größten Herausforderungen während dieser Zeit?

Naja, natürlich fällt man auch als Trainer erst mal in ein Loch. Man hat sich den ganzen Winter über Gedanken über Trainingsinhalte gemacht, damit man die Athleten weiterbringt und sie eine erfolgreiche Saison haben, und dann schmeißt Corona alles über den Haufen. Wir mussten viel mit Was-wäre-wenn-Szenarien arbeiten. Das war, glaube ich, die größte Challenge aus Trainersicht, mit dieser unklaren Situation umzugehen und dabei trotzdem analytisch und nüchtern zu bleiben.

Wie sieht es momentan aus? Herrscht mittlerweile wieder etwas mehr Klarheit?

Ja, die offenen Variablen werden immer weniger. Wir kommen langsam zu den Wettkämpfen hin, haben auch schon Termine, und es gibt keine großen Fragezeichen mehr. Im Grunde bereiten wir nun einen standardmäßigen Trainingsaufbau vor, wie man das sonst im Frühjahr macht. Insofern hat sich die Saison für uns durch den Lockdown und die Folgen eigentlich nur um ein paar Monate nach hinten verschoben.

Siehst du diese erzwungene Pause eher als Vor- oder als Nachteil?
In Bezug auf das Training hatte das Ganze sicher auch positive Effekte. Ich habe bei vielen unserer Radsportler gemerkt, dass sie die Zeit wirklich effektiv genutzt und in gewisser Weise auch genossen haben. Sie konnten etwa lange Grundlagentrainings, die man normalerweise im Winter, in einem Trainingslager im Ausland macht, zu Hause absolvieren. Das hat den Athleten die Möglichkeit eröffnet, klassische längere Routen oder große Genussrunden in Tirol zu fahren, wofür es im Sommer im Normalfall kaum Gelegenheit gibt. Das hat vielen gut getan. Zudem konnte man auch mal neue Dinge ausprobieren. Was die Wettkämpfe selbst betrifft, kann ich mir aber vorstellen, dass es für den einen oder anderen nun schwer werden dürfte, nicht zuletzt im Hinblick auf die nächste Saison.

Inwiefern?
Durch die Zwangspause finden viele Rennen ja später als sonst und folglich sehr komprimiert im August, September und Oktober statt. Die Saison ist insgesamt länger, und man muss sich die Frage stellen, wie man darauf reagiert – ob man also beispielsweise die Winterpause verlängert oder nicht. Gerade für arrivierte Fahrer mit alten, seit Jahren bewährten Mustern könnte das ein Problem darstellen, wenn sie jetzt einen solchen Bruch erleben. Auf der anderen Seite haben junge Fahrer dadurch aber vielleicht größere Chancen. Ich glaube jedenfalls, dass da einiges passieren kann.

Lukas Höllrigl ist als Trainer und Leistungsdiagnostiker bei uns am Olympiazentrum Tirol Innsbruck tätig. Unter anderem betreut er Fahrer des Tirol KTM Cycling Teams, des Innsbrucker Nachwuchs-Rennstalls für angehende Radprofis aus dem U23-Bereich.

 

Markus Wildauer über die Erfahrungen aus Sicht der AthletInnen

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Ausübung deines Sports ausgewirkt?

Der Alltag im Lockdown war ziemlich monoton. Ich habe darauf geachtet, dass ich den Trainingsumfang reduziere, aber intensiver trainiere, um die Form zu halten. Auch Abwechslung versuchte ich reinzubringen, um nicht stundenlang nur indoor auf der Rolle zu sitzen.

Was war die größte Herausforderung während des Lockdowns?

Eine Herausforderung war, die Motivation nicht zu verlieren. Speziell am Anfang, als die Infektionszahlen immer weiter und weiter gestiegen sind, folgte eine Rennabsage der anderen. Plötzlich waren keine Rennen mehr in Aussicht. Ich motivierte mich mit langfristigen Zielen. Mein größtes Ziel ist, den Sprung in die Profiliga zu schaffen.

Inwiefern erschwert Corona die Verwirklichung dieses Traums?

Als Nachwuchssportler wäre es gut, sich bei internationalen Rennen präsentieren zu können und gute Ergebnisse einzufahren. Ohne Rennen ist das denkbar schwierig. Meine Hoffnung liegt in den internationalen Rennen, wie dem Baby-Giro, nachdem ja ganz kurzfristig auch die Tour de l’Avenir abgesagt worden ist. Bezüglich der Europameisterschaft im französischen Plouay, die für August geplant ist, hoffen wir noch. Dort würde ich mich gerne stark präsentieren. Voraussetzung ist, dass sie stattfindet. Eine gewisse Unsicherheit herrscht nach wie vor. Kommt eine zweite Welle? Wie schaut es mit den Auflagen aus?

Wie gelingt es dir, die Motivation nicht zu verlieren?

Derzeit finden ja einige der wichtigsten Radrennen statt. Das spornt mich an. Da will ich zeigen, dass ich gut bin und es wirklich will. Während des Lockdowns war auch der telefonische Kontakt zu Mannschaftskollegen wichtig. Wir tauschten uns aus und bauten uns gegenseitig auf.

Wirken sich die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Rennabsagen auf deine finanzielle Situation aus?

Ich habe das große Glück, als Heeressportler nicht von Prämien und Sponsorengeldern abhängig zu sein. Ich bin sehr dankbar, in dieser Zeit weiter Unterstützung zu bekommen.

Wie sieht die aktuelle Situation aus? Trainiert ihr wieder in der Mannschaft?

Seit es wieder erlaubt ist, trainieren wir wieder in der Gruppe. Das macht definitiv mehr Spaß als alleine. Die Zeit vergeht viel schneller. Gerade nach der langen Periode, in der man sich nicht sehen konnte, hat man viel zu besprechen.

Wie schaut es mit Sorgen um deine Gesundheit aus? Hast du Angst, dich mit dem Virus zu infizieren?

Angst würde ich es nicht nennen, aber klar macht man sich Gedanken. Eine Ansteckung würde bedeuten, Zeit zu verlieren, kein Training, kein Kontakt zu anderen, möglicherweise keine Rennen. Ich halte mich an die allgemeinen Empfehlungen und versuche, das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Ich vermeide beispielsweise Einkaufzentren oder Bars.

Hast du in den letzten Wochen jemals ans Aufgeben gedacht?

Nein, aufgeben war nie Thema für mich. Ich möchte noch viel erreichen.


Markus Wildauer (22) hat seine Rennradkarriere mit 14 Jahren beim RC Tirol aus Vomp begonnen. Seit 2017 fährt er für das Tirol KTM Cycling Team. Er gilt als Allrounder, sprich er kann bergauf schnell fahren und hält auch im Flachen beim Zeitfahren mit. Seine zwei größten Erfolge erzielte er 2018 mit dem Etappensieg beim Giro Ciclistico d’Italia (Baby-Giro) und dem dritten Platz bei der EM im Einzelzeitfahren. Wildauer lebt im Zillertal. Sein großes Ziel ist, den Sprung in eine Profimannschaft zu schaffen.

 

© Sport.Tirol Text: Simon Leitner, Eva Schwienbacher, Headerbild: Elisa Haumesser  Bild: GEPA – Jasmin Walter

Super Platzierung bei Online-EM

Auch im Leistungssport blieben einige Umstrukturierungen in Folge des Coronavirus nicht aus. Der europäische Taekwondo Verband reagierte gekonnt auf die neuartige Situation und ermöglichte die Austragung einer offenen Europameisterschaft im Poomsae (Formenlauf) mit über 1200 TeilnehmerInnen aus 75 verschiedenen Ländern. Dabei wurden die Technikdisziplinen gefilmt und anschließend von den Kampfrichtern bewertet. Anna Schneeberger konnte sich dabei den 20. Platz in der allgemeinen Klasse sichern – eine großartige Leistung bei einem Teilnehmerfeld von über 110 Sportlerinnen aus 42 Nationen.

 

Anna, du hast erfolgreich an dieser neuen Form der Europameisterschaft teilgenommen. Wie hast du die Teilnahme selbst erlebt?

Es war eine sehr interessante Erfahrung, etwas komplett Neues. Man konnte sich seine eigene Location basteln und war nicht an den üblichen Turniermodus gebunden. Das bekannte Turniergefühl war schon nicht ganz so ausgeprägt, aber gerade dadurch war es auch echt spaßig – wir haben zumindest voll die Gaudi gehabt, auch wenn es ein sehr anstrengender Tag war.

Wie genau lief diese Online-Europameisterschaft ab?

Wir haben eine Deadline bekommen, zu der wir Videos auf YouTube hochladen mussten. Insgesamt hatten wir 24 Stunden Zeit sechs Formen am Stück vor laufender Kamera durchzuführen. Auch während der Pausen mussten wir im Bild bleiben. Dann wurden die Videos von Kampfrichtern angeschaut und bewertet. Dies wurde live übertragen, so dass wir die Bewertung entspannt vor dem Fernseher anschauen konnten. Wobei so entspannt war es dann doch nicht, ich war schon sehr angespannt, als es dann zu meiner Bewertung kam und meine ganze Familie hat mitgefiebert.

An dieser Stelle auch von uns noch einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner großartigen Platzierung. Waren die Emotionen insbesondere nach deinem Erfolg dieselben?

Es war schon anders, als wenn man direkt auf der Matte steht. Vor allem war diesmal ein größerer zeitlicher Abstand zwischen der erbrachten Leistung und der Bewertung. Dadurch war alles schon so fix, man hatte es nicht mehr in der Hand und konnte keinen Einfluss mehr nehmen. Die Freude über den Erfolg war aber auf jeden Fall riesig!

In deinem Video sieht man zwischendurch Jemanden den Rasen mähen. Was hat es damit auf sich?

Mein Trainer hatte die Idee mit den Videos einen Wiedererkennungswert für die nächsten Turniere zu schaffen. Unser Ziel war es, dass die Videos im Kopf bleiben und ich auf den nächsten Turnieren mit ihnen assoziiert werden. Wir haben also gewissermaßen versucht die Videos zur Vermarktung zu nutzen und haben uns deshalb Gedanken über die Location gemacht und Flaggen aufgehängt. Mein Trainer hatte dann noch die witzige Idee mit der lustige Pausengestaltung zwischen den Formläufen. Das hat sehr gut funktioniert, auch wenn die Pausen zum Teil zu witzig waren, weil ich mich ja noch auf meine nächste Runde konzentrieren musste.

Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile einer solchen online Veranstaltung?

Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass man sich selbst und auch allen anderen zuschauen kann. Bei den Turnieren ist man oftmals so auf sich konzentriert und fokussiert, dass man nur wenig von den anderen mitbekommt. Diesmal konnte man echt alle Leistungen in Ruhe anschauen und auch würdigen.

Siehst du Potential in dieser Wettkampfsform?

Ja, diese online Veranstaltung wurde ja zumindest sehr gut angenommen. Zuerst hatten die Veranstalter Sorge, es würden auf Grund der besonderen Veranstaltungsart zu wenig Teilnehmer geben und ließen deshalb AthletInnen aus allen Nationen zu. Tatsächlich ist aber das Gegenteil eingetreten. Die online Austragung hat vielen AthletInnen eine Teilnahme überhaupt erst ermöglicht, da sie ansonsten vielleicht nicht die finanziellen Mittel gehabt hätten zum Austragungsort zu reisen. Alle hatten durch diesen leichten Zugang also die gleichen Chancen – viele Talente konnten sich dadurch zeigen!

Wie geht die Saison für dich jetzt weiter? Welche Ziele hast?

Mein Wunsch ist es, bald wieder Wettkämpfe machen zu können. Bei all dem Training gehen einem die Turniere schon ab, irgendwann will man sich auch wieder beweisen. Im Oktober stehen die Staatsmeisterschaften an, auf die freue ich mich schon volle. Das langfristige Ziel bleibt aber eine WM- oder EM-Medaille. Die online-Europameisterschaft war nur ein kleiner Trost für die ausgefallene WM heuer in Dänemark. Sie wird nun auf 2022 verschoben und in Korea stattfinden.

Kannst du dich durch die zeitliche Verzögerung der WM nochmal anders und vielleicht auch besser vorbereiten?

Die gewonnene Zeit kommt mir eigentlich wirklich zugute. Es wäre sicherlich dieses Jahr eine tolle Erfahrung gewesen dabei zu sein, aber bei der nächsten WM kann ich bestimmt noch andere Platzierungen ins Auge fassen, als ich es dieses Jahr gekonnt hätte. Es ist schon ein Jahr was ich dazu geschenkt bekommen habe.

Hier geht’s im Übrigen zu Anna Schneebergers Video: ONLINE EM – Taekwondo – Anna Schneeberger 

Blog by Adele Tietgen

Die Liebe zum Sport – und zur Wissenschaft

Seit 8,5 Jahren arbeitet Lisa Steidl-Müller nun schon im Team des Olympiazentrums Tirol. Angefangen hat sie 2011 als studentische Mitarbeiterin. Seither hat sich sehr viel entwickelt: Sponsion, Promotion, Post-Doc Stelle, Publikationen, Habilitation, Lehre am ISW und seit 1,5 Jahren eine Stelle als Assistenzprofessorin.

Während des Studiums fuhr Lisa zweigleisig und absolvierte sowohl das Diplomstudium Lehramt (Italienisch sowie Bewegung und Sport), als auch den Bachelorstudiengang Gesundheits- und Leistungssport. Damals war es noch gänzlich offen, ob ihre berufliche Perspektive eher in der Schule oder in der Wissenschaft liegen würde.

Das Probejahr in der Schule hat Lisa noch erfolgreich absolviert. Auf dem Weg in den Einstieg in den Lehreralltag kam ihr aber dann die Liebe zur Wissenschaft dazwischen. Diese hatte sie bereits beim Schreiben ihrer Diplomarbeit entdeckt und ergriff dann die großartige Möglichkeit, sich im Rahmen der Dissertation weiterführend mit der Thematik des relativen Alterseffekt im alpinen Skirennlauf zu beschäftigen. Ihre Forschungsergebnisse prägen nicht nur ihre persönliche wissenschaftliche Laufbahn, sondern beeinflussen auch die Talentsichtung im alpinen Skirennlauf. Der Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit liegt seither entsprechend sowohl in der, von Prof. Christian Raschner seit mehreren Jahrzehnten laufenden Talentforschung im Skirennlauf, als auch in einem in einem von Lisa initiierten großangelegten Projekts zur Verletzungsprävention im Nachwuchsskirennlauf in Zusammenarbeit mit der Ski-Mittelschule Neustift. Als leidenschaftliche Skifahrerin schätzt Lisa die Möglichkeit, sich auch wissenschaftlich mit dem Ski-Sport auseinanderzusetzen. In der Lehre am ISW konzentriert sie sich unter anderem auf die Fachdidaktik des Schulsports, auf die Vermittlung von wissenschaftlichem Arbeiten und im Rahmen des Bachelorseminars auf die Betreuung der Bachelorkandidaten.

Aus beruflicher Perspektive war das Freiwerden der studentischen Mitarbeiter-Stelle am Institut für Sportwissenschaft im Bereich Trainingswissenschaft bei Prof. Christian Raschner, und somit die Möglichkeit, im Team des Olympiazentrums mitzuwirken, der Türöffner zu ihrer bislang sehr erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere. Bei der Erinnerung an die Anfangszeit muss Lisa lächeln und sich nochmals kurz bei Roland Luchner bedanken, der die Stelle damals „frei“ gemacht hatte. Heute sitzen beide gemeinsam in einem Büro und blicken bereits auf viele konstruktive und produktive als auch unterhaltsame Arbeitstage zurück.

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WORDRAP „DA SCHAU HER“

Seit Anfang 2019 hast du eine Stelle als Assistenzprofessorin an der Universität und bist im Team des Olympiazentrums. War es für dich eine Entscheidung für die Wissenschaft oder gegen den Lehramtsberuf?

Definitiv für die Wissenschaft! Es gibt für mich nicht wirklich einen Grund gegen den Lehramtsberuf, aber so lange ich die freie Wahl habe, gebe ich der Wissenschaft den Vorrang. Zumal ich durch die Lehre in der Uni auch meine „Schüler“ habe und unterrichten kann (und mir der Ärger mit den Eltern erspart bleibt).

Was fasziniert dich an der wissenschaftlichen Arbeit?

Insbesondere reizt es mich, unerforschte Dinge herauszufinden, sich Themen anzunehmen und Expertise aufzubauen. Mich freut es, wenn man mit Forschung etwas in der Praxis bewirken kann, wie zum Beispiel zu mehr Fairness oder zur Verletzungsprophylaxe beitragen zu können.

Einer deiner Forschungsschwerpunkte ist die Talentforschung. Was begeistert dich an der Talentforschung?

Mir gefällt die Arbeit mit den NachwuchsathletInnen. Durch Ungerechtigkeit in der Talentsichtung werden zum Teil Träume zerstört. Es gibt verschiedene Einflussfaktoren und manchmal kommt es zu Selektionsfehlern. Sich mit der Talentforschung weiter zu beschäftigen ist zumindest der Versuch zu mehr Fairness beizutragen. Zudem ist es natürlich die Freude darüber, die Entwicklung der AthletInnen mitzuerleben und vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten zu können. In dem Forschungsbereich bin ich noch immer glücklich.

Nachdem du dich so viel mit der Talentforschung beschäftigt hast, gibt es für dich eine ganz persönliche Definition von Talent?

Für mich ist Talent ein Zusammenspiel aus einer hohen intrinsischen Motivation, der körperlichen Voraussetzung für eine Sportart und vor allem einem großen Entwicklungspotential. Leistung muss immer im Zusammenhang mit dem aktuellen Entwicklungsstand gesehen werden. Zudem gehört eine hohe Anpassungsfähigkeit und eine hohe Lernbereitschaft zur sportlichen Weiterentwicklung. Ohne eigene Motivation geht es jedoch nicht.

Verrätst du mir ein geheimes Talent von dir? Oder hast du eine Schwäche, die du verraten willst?

Meine Schwäche ist definitiv: Ich bin Perfektionistin. Ansonsten habe ich eigentlich das Gefühl, dass ich meine Talente nicht verberge. Ich sportle, koche, backe und nähe unglaublich gerne und bereite anderen gerne mal eine Freude. Aber das kann man vielleicht nicht als Talent sehen… (Roland wirft prompt von gegenüber ein, dass er es definitiv als Talent ansehen würde).

Wie sieht dein Arbeitsalltag im Team des OZ aus?

Durch die vielen verschiedenen Bereiche ist mein Arbeitsalltag unglaublich abwechslungsreich und nie langweilig. Die Koordination der Leistungsdiagnostik am OZ und die damit einhergehende Terminverwaltung nimmt viel Zeit in Anspruch, genauso wie die PraktikantInnen-Betreuung. In der Forschung kann ich recht frei arbeiten und überlege mir gemeinsam mit Carolin Hildebrandt und Christian Raschner, was die nächsten Schritte sein können. Hier gilt es, stets auf dem aktuellen Stand der Literatur zu sein, Daten zu erheben und auszuwerten, Publikationen zu schreiben und die eigenen Forschungsergebnisse auf Kongressen oder Fortbildungen weiterzugeben. Neben der Forschung nimmt auch die Lehre einen großen Teil meiner Arbeit ein. In die Lehre stecke ich recht viel Energie und versuche mich immer daran zu erinnern, was ich selbst als Studentin gerne bekommen hätte in den Lehrveranstaltungen und versuche, das umzusetzen. Ich möchte mit den StudentInnen und nicht gegen sie arbeiten.

Grundsätzlich ist der Alltag schon sehr stressig, aber ich schaue immer, dass mein Sport nicht zu kurz kommt und das Privatleben auch nicht. Aber Wissenschaft macht am Wochenende eben keine Pause…

An welchen spannenden Projekten arbeitest du zurzeit? Oder ist das noch top-secret?

Zum einen arbeite ich fortlaufend an einem langfristigen Projekt zur Verletzungsprävention mit der Ski-Mittelschule Neustift. Hier haben wir gerade einen Artikel publiziert über eine Studie, in der wir uns den Einfluss von Trainingsbelastungsmerkmalen auf das Verletzungs- und Krankheitsrisiko angeschaut haben. Des Weiteren habe ich vor Kurzem einen Artikel über die Veränderungen in der sportmotorischen Leistungsfähigkeit sowie der anthropometrischen Daten über eine Saison als mögliche Verletzungsrisikofaktoren publiziert. Dort konnte gezeigt werden, dass SportlerInnen, welche sich in ihrer Sprungkoordinationsfähigkeit mehr verbessern konnten innerhalb einer Saison, ein geringeres Verletzungsrisiko aufwiesen. Außerdem zeigte sich, dass AthletInnen mit großen Wachstumsschüben vorübergehend einem größeren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Vor Kurzem wurde auch ein Artikel akzeptiert, in welchem wir uns die Entwicklung des sportmotorischen Leistungsniveaus von NachwuchsskirennläuferInnen im Vergleich von vor 15 Jahren und heute angeschaut haben. Hier sind klare Tendenzen zu erkennen, dass die heutigen NachwuchsskirennläuferInnen deutlich bessere Rumpfkraftwerte aufweisen als jene, die vor 15 Jahren getestet wurden, was sich durch diverse Trainingstrends und diverse Verletzungsstudien, in denen die Bedeutung der Rumpfkraft in der Verletzungsprävention aufgezeigt wurde, in den letzten Jahren erklären lässt. Zudem startet ein Projekt, welches den Einfluss des biologischen Entwicklungsstandes bzw. diverser anthropometrischer Parameter auf das Verletzungsrisiko untersuchen wird. Hier sind schon klare Tendenzen zu erkennen, dass weniger weit entwickelte Kinder ein höheres Verletzungsrisiko haben, da die Trainingsintensitäten nicht genügend differenziert werden. Darauf aufbauend sollen dann noch weitere Risikofaktoren im Nachwuchsskirennlauf untersucht werden. Im Herbst wird zudem das Klug und Fit Projekt fortgesetzt. In Kooperation mit der Uni Salzburg wird dabei die sportmotorische und kognitive Leistungsfähigkeit der österreichischen Schuljugend untersucht.

Was schätzt du am meisten an der Arbeit am Olympiazentrum?

Definitiv das Team und die feine Atmosphäre am Olympiazentrum. Zudem schätze ich die Wertschätzung und Eigenständigkeit. Meine Arbeit besteht nicht in einem Abarbeiten einer to-do Liste, sondern ich kann meine eigenen Vorstellungen verwirklichen.

In 8 Jahren Arbeit am OZ. Welcher Moment ist dir am eindrucksvollsten in Erinnerung?

Da gibt es so viele schöne und lustige Momente, an die man gerne denkt…

Worin siehst du die Vorteile und (Nachteile?) der Zusammenarbeit des Instituts für Sportwissenschaft und des Olympiazentrums?

Hauptsächlich sehe ich Vorteile, vor allem in der Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis. Durch die enge Zusammenarbeit kann die tägliche Forschung in die tägliche Praxis übertragen werden. Viele der Trainer am OZ halten Lehrveranstaltungen und können so ihre Erfahrungen direkt an die StudentInnen weitergeben. Außerdem ist es für die Studierenden von Vorteil, dass sie im Zuge eines Praktikums im Olympiazentrum die Möglichkeit haben, das im Studium Gelernte in der Praxis anwenden zu können bzw. beobachten zu können.

Wo findet man dich, wenn nicht im OZ?

Auf dem Tennisplatz, beim Skifahren, beim Klettern, bei den Neffen und Nichten oder daheim beim Nähen, Kochen oder Arbeiten.

Du hast schon früh angefangen Tennis zu spielen. Wer war damals größer, du oder der Tennisschläger?

Viel wird da tatsächlich nicht gefehlt haben. Allerding spiele ich schon seit ich denken kann Tennis und habe daher keine genaue Erinnerung an die ersten Tage auf dem Tennisplatz. Ich glaube ich war zwei Jahre alt, als mir meine Familie das erste Mal einen Schläger in die Hand gegeben hat.

Hast du Vorbilder oder Leute, die dich inspiriert haben bzw. inspirieren?

Meine Eltern, sie haben mich sowohl beruflich als auch menschlich inspiriert und mir gezeigt, dass man Beruf und Familie sehr wohl gut unter einen Hut bekommen kann.

Was war dein Traumberuf in der Kindheit?

Als kleines Kind wollte ich Hebamme werden, wobei ich da nicht wirklich wusste, was eine Hebamme macht… Später wollte ich immer Lehrerin werden.

Gibt es eine sportliche Karriere, vor der du besonders Hochachtung hast und welche du besonders viel verfolgst oder verfolgt hast?

Ja, bei Marcel Hirscher hat mich immer die Konsequenz fasziniert, mit welcher er seiner sportlichen Karriere nachgegangen ist. Er war wahrhaftig ein vollkommener Athlet und sicherlich für viele Nachwuchssportler ein Vorbild.

Die Entwicklung von Anna Stöhr habe ich ebenfalls sehr nah mitbekommen, da auch ein persönlicher Kontakt vorliegt. Sie hat sehr viel erreicht und durch ihre beeindruckende Karriere und ihr sympathisches Auftreten den Klettersport in Österreich vorangetrieben.

Blog by Adele Tietgen