Skip to content

Forscher ebnen Weg zur Medaille

ski cross
February 13, 2018

Bevor Athleten zu internationalen Bewerben reisen, begleiten Wissenschaftler das Training. Ein Besuch am Olympiazentrum von Land Tirol, Stadt und Universität Innsbruck.

Man sieht es diesem Kraftraum an, dass hier hart trainiert wird, viel Schweiß fließt, vielleicht sogar manchmal eine Träne vergossen wird. Die Geräte sehen viel „ernsthafter“aus als das, was in stylischen Fitnessstudios herumsteht. An normalen Tagen wäre dieser Raum auch von früh bis spät von Athletinnen und Athleten genutzt, die in ihrer Disziplin zur Weltspitze wollen oder vielleicht sogar schon dort sind. Dass es derzeit etwas ruhiger zugeht, hat einen einfachen Grund: Viele, die sonst hier am Olympiazentrum Campus Sport Tirol Innsbruck trainieren, kämpfen in Südkorea gerade um Olympia-Medaillen.

Trainingswissenschafter Christian Raschner leitet diese gemeinsame Einrichtung von Land Tirol, Stadt und Universität Innsbruck, die 2011 vom Österreichischen Olympischen Komitee das Prädikat Olympiazentrum verliehen bekam. Die Geschichte des Zentrums geht aber schon etwas weiter zurück, erinnert sich Raschner: „Mir war es immer wichtig, konkret mit Sportlern und Verbänden zusammenzuarbeiten, weil Trainingswissenschaft nicht nur aus Theorie besteht, sondern auch etwas Handfestes sein soll.“

Angeboten wurde (und wird) aber nicht nur das Know-how beim Trainieren, sondern auch Leistungsdiagnostik, Physiotherapie, Ernährungswissenschaft, Sportpsychologie und Sportmedizin. So entstand nach und nach eine Trainingsstätte für den Tiroler Spitzensport. Anfangs rechnete man mit 25 bis 30 Athleten, aktuell sind es 72. Bedarf, so schätzt Raschner, bestünde für etwa 100: „Aber wir sind räumlich und personell am Limit.“

Für die universitäre Lehre liegen die Vorteile des Zentrums für dessen Leiter auf der Hand: „Es ist wichtig, dass ich zum Beispiel in der Trainingswissenschaft nicht nur Wissen vermittle, das im Lehrbuch steht, sondern eines, das selbstverständlich wissenschaftlich fundiert, aber auch in der Praxis umsetzbar ist.“

Neben der Lehre liegt ein Schwerpunkt bei der Talenteforschung, so Raschner: „Wir haben uns extrem dieser Thematik gewidmet, damit wir möglichst wenige junge Sportlerinnen und Sportler verlieren. Das können wir uns in Österreich schlicht nicht leisten.“

Dabei wurde eine Mitarbeiterin von Raschner auf ein Phänomen aufmerksam: Die, die vorn mitmischen, sind meist im ersten Quartal eines Jahres geboren. Das hängt mit dem System der Altersklassen zusammen, die in der Regel Jahresende bzw. Jahresbeginn als Stichtag haben.

Die wenigen Monate, die also früh im Jahr geborene Sportlerinnen und Sportler älter sind als die Konkurrenz, machen körperlich unter Umständen viel aus. Wer dann wegen dieses Nachteiles aber nicht auf den Spitzenplätzen landet, kann durchaus auch ein Talent sein. Eines, das aber vielleicht nie erkannt wird.

Ähnlich ist es bei der körperlichen Entwicklung insgesamt, erklärt Raschner: „Hermann Maier ist ein sehr bekanntes Beispiel eines Spätentwicklers. Da haben am Anfang viele gesagt: „Aus dem wird nichts.“

In welchem Entwicklungsstadium Jugendliche sind, lässt sich am genauesten durch ein Handwurzel Röntgen feststellen. Um die Röntgenstrahlung zu vermeiden, hat man am Olympiazentrum eine Reihe von Messungen evaluiert, die zu verlässlichen Aussagen führen. Eng mit dem Entwicklungsstand ist auch die Verletzungsgefahr verbunden, daher gilt es, Jugendliche entsprechend wirkgleichzeitig, aber behutsam zu trainieren.

Und schließlich befassen sich die Forscher am Olympiazentrum auch mit der Entwicklung von Kraft- oder Koordinationstrainingsgeräten, die zuweilen auch Serienreife erlangen. „Diese Geräte finden bei uns im hochintensiven Krafttraining Anwendung. Das Thema wird auch gern in Bachelor- und Masterarbeiten aufgegriffen, und es konnte gezeigt werden, dass viele dieser Geräte in modifizierter Form auch im Breitensport verwendbar sind“, erklärt Raschner.

Doch abschließend wieder zurück zu den Spitzensportlern: Sollten sie sich verletzen, hat das Zentrum ein eigenes Verletzungsmanagement eingerichtet, das greift, sobald die Athletin oder der Athlet wieder in Innsbruck landet: Behandlung vor einer Operation, Operationstermin, Behandlung nach der OP, Trainingsaufbau.

Man ist also auch gerüstet für den Kerl, der von Sportreportern gern Verletzungsteufel genannt wird, und der jedes Jahr bei vielen Sportlerinnen und Sportlern „unbarmherzig zuschlägt“.

i

© Uwe Schwinghammer / Die Presse vom 10.2.2018