Sehbehindert mit 117 km/h die Pisten runter

Tiroler Para-Skiprofi lässt staunen.

Seine Sehbehinderung hindert Michael Scharnagl nicht daran, mit seinem Guide Florian Erharter mit hohem Tempo über Pisten zu rauschen.

Sie starten über eine Kante. Schupfen mit den Stecken an, gewinnen Geschwindigkeit auf der steilen Piste – ganz so, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Nur, dass hier zwei fahren und nicht nur einer. Vorne fährt der 25-jährige Guide Florian Erharter, hinten der sehbehinderte Spitzensportler Michael Scharnagl. Mit einem „Wusch“ sind sie vorbei, die Schneewolke ist das Einzige, was man nach wenigen Sekunden noch sieht.

Das Team an Journalisten tut sich an diesem Tag schwer, ihnen über die sonnenbeschienenen Pisten der Schatzbergbahn in der Wildschönau zu folgen. Denn der 34-jährige Scharnagl ist mit seinem Guide schneller unterwegs als alle anderen, die sich heute auf der Piste tummeln.

Scharnagl sieht in der Nähe Umrisse und hat blinde Stellen auf seinem rechten Auge. Er vermutet, dass sein Sehvermögen für Sehende so ist, als ob man bei sehr schlechter Sicht mit mieserablen Lichtverhältnissen fährt. Nur, dass Scharnagl das mit über 100 km/h macht und dabei auf Erharter vertraut. Dieser versucht seit vier Jahren, das schwindende Sehvermögen so gut wie möglich auszugleichen, während sie über Hügel, Kanten und Eis rasen.

Verbunden sind sie durch ein Bluetooth-Set in den Helmen, die Kommandos zwischen ihnen sind prägnant: Vor jedem Schwung hört man „Hopp“, manchmal „eisig“ oder „schlagig“. Die Wörter leiten Scharnagl, außerdem erkennt er die Ski-Enden seines Vordermannes, wenn der Abstand nicht zu groß wird. Der Guide achtet ständig auf die Geschwindigkeit der beiden, und selbst mitten im Lauf sieht man ihn ab und zu zurückblicken. Seine Aufgabe ist im Kopf ebenso ermüdend wie der Spitzensport für den Körper.

„Ich gebe einfach mein Bestes. Wenn Fehler passieren, arbeiten wir sie gemeinsam auf“, erklärt Erharter. Beispielsweise gibt er bei Rennen manchmal lieber eine weitere Linie vor, damit Scharnagl bei den Stangen nicht einfädelt. Diese Zusammenarbeit hat die beiden bereits zu einer Bronzemedaille bei der WM, dem ersten Platz beim Weltcup und zu den Olympischen Spielen geführt.

Scharnagl nimmt zwar die Piste anders wahr als andere, die Liebe zum Skifahren ist aber gleich: „Ich spüre den Untergrund und das wunderschöne Gefühl, durch die Natur zu fahren.“ Erharter hat durch den Spitzensportkader der Polizei ebenfalls einen Traum zum Beruf gemacht. „Ich kann beruflich Ski fahren. Es ist unglaublich, was einem damit ermöglicht wird.“

Michael Scharnagl ist hauptberuflich Physiotherapeut. Noch können Para-Sportler selten von ihrem Sport leben. Durch das gemeinsame Training sind sie außerdem zu Freunden geworden. „Es ist eine intensive Beziehung, vergleichbar mit einer Beziehung mit einem Partner. Man lacht zusammen, man redet miteinander und – weil es ein Teamsport ist – teilt jeden Erfolg“, erzählt Scharnagl. Dieser Erfolg ist es auch, der die beiden immer wieder über Grenzen gehen lässt.

© Tiroler Tageszeitung Online (Text: Leonie Schiessendoppler) // Foto: GEPA pictures/ Patrick Steiner

Para-Skifahrer*innen zeigen starke Leistungen

Erfolgreiche Renntage für unsere Para-Ski-Athlet*innen in Veysonnaz.

Bei den Weltcuprennen in der Schweiz können alle Vier starke Platzierungen erfahren.

Sowohl Eva-Maria Jöchl als auch Michael Scharnagl mit Guide Florian Erharter konnten sich Platz 6 im Riesenslalom am 22.01. sichern. Manuel Rachbauer beendete das Rennen auf Platz 8. Auch am darauffolgenden Tag glänzten die Sportler mit einem 4. Platz für Michael und Florian sowie Platz 7 für Manuel. Ebenfalls den 7. Platz erreichte Eva-Maria im Slalom am 24.01. Auch in den FIS Super-G Rennen, welche die abgesagten Rennen im Pitztal ersetzten, konnten sie aufzeigen. Eva-Maria konnte sich den Sieg einfahren, Manuel beendete das Rennen auf dem starken 2. Rang.

Foto: GEPA pictures/ Gintare Karpaviciute

Zweiter Viktor für Plank

Jasmin Plank wird zu Tirols Behindertensportlerin 2022 gewählt.

Gemeinsam mit vielen weiteren herausragenden Sportler*innen feiert sie im Congress Innsbruck einen Abend großer Gefühle, leidenschaftlicher Laudationen und vertrauter Siegergesichter.

Bereits zum zweiten Mal durfte sich Jasmin Plank über den Titel Behindertensportlerin des Jahres freuen, sichtlich gerührt im Rollstuhl mit Hündin Chiara an der Seite. Vor allem nach den Worten von Laudator und Kletter-Experte Reinhold Scherer.

„Es ist freut mich sehr, dass ich wieder gewählt wurde.“ Sie widme die Trophäe allen Menschen mit chronischen Krankheiten und machte nicht nur Leidgenossen Mut: „Aufgeben war nie eine Option für mich.“

Das gilt auch für Para-Triathlet Martin Falch, der seine zehnte (!) Trophäe abräumte. „Zur Gewohnheit wird so eine Ehrung aber nie“, erklärte er schmunzelnd.

© TT // Foto: GEPA pictures/ Daniel Schoenherr